Italien am Meer. Salzige Luft, es gibt Fisch und Wein. Roberto Fumarola gesellt sich an den Tisch, in feinem Anzug, mit italienischer Gestik, es spricht der ganze Körper. Er wird uns morgen das Werk bei Pescara zeigen. Das ist ungefähr auf der Höhe von Rom, nur auf der anderen Seite des Stiefels.
Feinster italienischer Espresso macht mich wach. Der Bus holt uns ab und wir fahren ins Valle di Sangro. Hier ist sie, die Geburtsstätte des Fiat Ducato, hier wird das beliebte Basisfahrzeug gebaut. 1.170 Stück am Tag. 6.370 Menschen arbeiten hier in Sevel, dem gemeinsamen Werk von Fiat Chrysler Automobiles und der französischen PSA Peugeot Citroën S.A.
Bei der Gründung des Werks waren es noch 600 Mitarbeiter und man baute 70 leichte Nutzfahrzeuge am Tag. Zu Beginn noch einen Alfa Romeo AR6, seit dem 1. Januar 1982 bis heute den Fiat Ducato und die von der Karosserie her baugleichen Peugeot Boxer und Citroën Jumper, der anfangs C25 hieß und als Peugeot J5, Ende der 80er den Fiat Talento. Genauso wie der RAM ProMaster, der mit Sechszylinder-Benzinmotor für die USA konfiguriert ist. Und von 1984 bis 1993 gab es zwei Talbot-Wohnmobile mit der Bezeichnung Express.
Fotografieren verboten. Ansonsten ist der Empfang herzlich, einladend. Was deutet darauf hin, dass hier Transporter gefertigt werden? Eigentlich gar nicht so wahnsinnig viel. Die Anlage ist weitläufig, ruhig, eher eine Parkanlage, mit Grünflächen, gepflegten Hecken, sauberen Gehwegen. Es wirkt nicht wie ein Nutzfahrzeug- Werk. Es gibt nochmal einen Espresso, ein paar Häppchen, eine Schutzbrille, eine Warnweste und einen Kopfhörer samt Empfangsgerät für die Führung.
Fumarola erklärt, dass der durchschnittliche Mitarbeiter im Werk 45 Jahre alt sei, und stolz ergänzt er, dass über 21 Prozent Frauen seien. Insgesamt würden rund 12.500 Menschen in der Region bei der Produktion des Eurobus arbeiten, verkündet er und tritt mit einem Lächeln von der Bühne, das nur italienische Manager beherrschen.
Rote Roboter schwenken surreal hin und her. Es schaut aus, als würden sich Geier über Aas hermachen. Sie packen sich Bleche und schleudern sie durch die Luft. Es gibt kein Presswerk hier in Sevel, die Teile werden angeliefert. 500 Trucks und ein ganzer Zug besuchen täglich Sevel Sud, wie das Werk auch genannt wird. Die Roboter packen sich die Sachen, kleben und verschweißen die Karosserie. Stück für Stück entsteht hier die Hülle, dort das Fahrwerk, um irgendwann bei der Hochzeit zu verschmelzen.
Die großen Märkte für den Ducato und seine Derivate sind Deutschland, Frankreich und Großbritannien, erklärt die Stimme im Ohr, die zu dem Mann gehört, der uns mit Funkkopfhörern ausgestattet durch die sauberen Hallen führt. Es ist ruhig, irgendwie. Anders als in Hannover zum Beispiel, wo mir alles lauter, größer, gewaltiger vorkam. Die Menschen tätigen routiniert ihre Arbeit. Fiat ist in den Abruzzen ein wichtiger Arbeitgeber und der Erfolg, so sagt Angelo Coppola, der Fabrikmanager, sei ein wichtiger Faktor, um die Menschen in die Prozesse einzubinden. Ich glaube, er will damit sagen, dass die Leute stolz sind oder sein sollen, für Fiat zu arbeiten. Man hat keinen gegenteiligen Eindruck.
Wir verlassen die Fertigung und gehen in die Academy. Alles modern gehalten, die Mitarbeiter tragen weiße Kleidung wie im Labor. Es ist eine Aus- und Fortbildungsstätte, für die Menschen und für die Fabrik. Menschen und Prozesse optimieren sich, lernen, verbessern. Schaut alles so ein bisschen aus wie auf der Sternenflottenacademy aus Raumschiff Enterprise. Aber wenn es hilft – fürs Zusammengehörigkeitsgefühl in modernen Unternehmen ist es ja gut.
Draußen brennt die Sonne auf die fertigen Modelle. Bis zu 13.000 Konfigurationsversionen sind baubar. Die Luft ist warm, mediterran, der Rasen gepflegt und die Stimmung entspannt. Wer Hektik oder Chaos erwartet hatte, wurde eines total Anderen und Besseren belehrt.
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Dieser Beitrag erschien erstmals in CamperVans-Ausgabe 6/2018.