Spanien? Waren wir schon. Norwegen? Grenzen geschlossen. Balkan? Gute Idee. Die Flexibilität eines kompakten Campers kommt uns in diesen turbulenten Zeiten gerade Recht. So gelingt es uns perfekt, unsere Wünsche und die aktuellen Corona-Regelungen zu vereinbaren. Spontan brechen wir also zum Camping in Albanien auf – im Mai 2021 kein Risikogebiet. 177 PS und 8-Gang-Automatik verkürzen selbst die 1.600 Kilometer lange Fahrt in den Balkan zu einer angenehmen und sportlichen Reise. Nach rund zwei Dritteln der Strecke genießen wir das erste Mal die Freiheit, die uns ein vollwertig ausgestatteter Campingbus bietet: Links abbiegen, einen Schotterweg hinab in den Canyon und auf einem traumhaften Camping-Spot eingeparkt, wenig später öffnen wir das Aufstelldach und die Nudeln blubbern auf dem Herd vor sich hin.
Espresso mit Polizisten
Ab Bosnien-Herzegowina trampeln die Reifen dann über kurvige Straßen mit Schlaglöchern und Schotterpassagen. Plötzlich überholt uns die Polizei und stoppt uns am Straßenrand. Wir lernen: Ersatz-Glühbirnen, ein Abschleppseil und diverse andere Gegenstände sind hierzulande Pflichtausrüstung. Bei aller Spontanität, etwas Vorbereitung sollte also eingeplant werden.
Irgendwie sind die vergessenen Teile schnell vergessen, als wir den Polizisten die Küche und das gemütliche Aufstelldach des Crosscamp vorführen. Spätestens beim frisch gebrühten Espresso schließen wir ewige Freundschaft und bekommen noch eine Restaurantempfehlung für das Mittagessen. Der Balkan empfängt uns mit seiner weithin bekannten Gastfreundschaft!
Von Sternen auf der Straße
Angekommen in Albanien merken wir sofort: Hier ticken die Uhren noch anders. Das Straßenbild wird beherrscht von alten und neuen Mercedes-Fahrzeugen aller Art. In Albanien legt man auf das Auto als Statussymbol einen großen Wert, aber der Fahrstil wird einem Mitteleuropäer mehr als chaotisch erscheinen: immer Vollgas, und gehupt wird auch gerne. Schnell ist klar: Auch ohne Stern lieben die Albaner unseren stylishen Campingbus und wir ziehen alle Blicke auf uns. Obligatorisch bei jedem Stopp in Albanien ist übrigens ein kurzer Café-Besuch.
Wir haben noch kein Land mit so vielen Cafés gesehen, in denen es obendrein exzellenten Kaffee gibt. Doch weiter, wir sind schließlich zum Mountainbiken gekommen!
In Tirana treffen wir Orgest, den einzigen Mountainbike-Guide Albaniens. Mountainbiken gilt in Albanien noch als äußerst exotische Sportart, obwohl es jede Menge gute Trails im Nordwesten des Landes gibt. Wir nehmen die Gondelbahn auf den Hausberg von Tirana: den Dajti. Während wir mit der Gondel in einer undurchdringlichen Nebelschicht verschwinden und das steile Felsgelände unter uns etwas argwöhnisch mustern, fragen wir uns, wo hier die Mountainbike-Trails sind.
Oben angekommen, klettern wir über mehrere Stacheldrahtzäune und durchqueren ein militärisches Sperrgebiet, um dann einen steil abfallenden und engen Mountainbike-Trail vor uns zu sehen. Wir sind ja die verblockten Gardasee-Trails und das steile Karwendel gewohnt, aber heute ist es zudem noch nass. Über rutschige Felsen, durch Spitzkehren und über Passagen mit grobem Geröll fliegen wir dem Talboden entgegen – hohes Fahrkönnen und eine saubere Technik ist hier gefragt, jeder Sturz würde unschön enden. Der Flow stellt sich hier heute bei uns noch nicht ein. Nach diesem ersten Trailabenteuer stärken wir uns in einem der unzähligen guten Restaurants. In Albanien ist es Tradition, dass alle Speisen gleichzeitig am Tisch platziert werden. Auf dem Tisch wird eine große Fleischplatte aufgebaut. Als Gruß aus der Küche gibt es die Spezialität der Region: Schweineleber. Man sollte schon mindestens Flexitarier sein, um hier nicht zu verzweifeln.
Grenzerfahrungen
Den Nachmittag verbringen wir auf den Trails in den Erosionslandschaften nahe Tirana. Zwischen massiven Bunkeranlagen aus der kommunistischen Zeit und den verfallenen Häuserblöcken am Stadtrand winden sich hier unglaublich gute Routen den Berg herunter, die so einmalig in Europa sein dürften. Aber die Sache hat einen Haken: Ohne einen Guide findet man diese versteckten Trails schlichtweg nicht. Alles, was auf unseren Apps als Mountainbike-Strecke ausgezeichnet ist, ist in der Regel nicht fahrbar oder existiert nicht.
Unsere Versuche, Trails auf eigene Faust zu finden, waren ein einziger Reinfall. Trotz unserer Erfahrung und Ausdauer als Mountainbike-Guides stellt sich Mountainbiken in Albanien ohne Guide als fast unmögliches Unterfangen heraus. Später finden wir heraus, auch die Infrastruktur zum Wandern ist hier bis auf wenige Ausnahmen ähnlich gestrickt. Im ganzen Land gibt es nur rund ein Dutzend ausgeschilderter Wanderpfade, die als echter Weg erkennbar und für Auswärtige auffindbar sind. Zwei Stunden tragen wir an diesem Tag unsere Bikes über einen Wanderweg, um sie anschließend einen absturzgefährdeten steilen Berghang hinunter zu tragen. Bei 36 Grad im Schatten, da ist es nun, unser „Abenteuer“. Außer drei Ziegenhirten ist diesen Pfad in den letzten Jahren wohl niemand gegangen. Steile Wiesenhänge, dichte Dornbüsche, riesige Spinnennester – komplett dehydriert und am ganzen Körper zerkratzt, stürzen wir uns schließlich im erstbesten Café auf sämtliche Getränkevorräte. Manchmal führt einen der Mut zu Abenteuern eben auch an seine persönlichen Grenzen.
Camping in Albanien: Über schwankende Hängebrücken
Unsere weitere Route führt uns über wilde, schlaglochzerfurchte und schmale albanische Straßen nach Osten. Plötzlich stehen wir vor einer Hängebrücke. Am Brückenpfeiler ist mit roter Farbe aufgesprayt: maximal 2,8 Tonnen. Zwei Albaner raten uns zur Umkehr, so ein schweres Fahrzeug habe diese Brücke noch nicht befahren. Die Brücke bewegt sich hoch über dem großen Fluss im Wind und die Fahrbahn aus Holzbrettern knarzt laut vernehmlich. Das Herz klopft bis zum Hals und das trotz jahrelanger Offroad-Erfahrung…
Okay, abgestürzt sind unsere Autoren nicht, so viel sei verraten. Doch die Geschichte geht spannend weiter. Die ganze Reise-Story samt Stellplatz-Tipps lest ihr in der August-Ausgabe von CamperVans. Go get it!