Ein grauer Schleier lag einst über Europa und verdunkelte die Sonne, der Flugverkehr kam zum Erliegen. Es waren Aschewolken. Der Verursacher: ein Vulkan mit dem unaussprechlichen Namen Eyjafjallajökull auf dem fernen Island. Island? Die sagenumwobene Insel ganz weit im hohen Norden zwischen Norwegen und Grönland rückte wieder einmal in den Fokus vieler Reisefreudiger. Seither ist der Tourismus regelrecht explodiert. Kein Wunder. Lange Sommer- und dunkle Wintertage mit Polarlicht-Garantie, gigantische Wasserfälle und schwimmende Eisberge im Gletschersee Jökulsárlón auf der einen Seite – aktive Vulkane auf der anderen.
Island ist eine Insel der Extreme, gepaart mit landschaftlicher Schönheit. Die Insel fordert geradezu dazu auf, sie abseits ausgetretener Pfade zu erkunden. Und was eignet sich hierfür besser als ein entsprechendes 4×4-Gefährt? Soll auch der Wohnkomfort nicht zu kurz kommen, landet man ganz schnell bei Expeditionsmobilen – wäre da nicht ein klitzekleines Problem: Aufgrund der hohen Anschaffungskosten nennt kaum einer ein eigenes Allrad-Expeditionsfahrzeug mit entsprechendem Aufbau sein Eigen.
Rundum-Sorglos-Paket
„Wer Orte erreichen will, die mit normalen Pkws in der Regel nicht erreichbar sind, wer mitten in unberührter Natur übernachten möchte, aber den Luxus und Komfort einer warmen Dusche und eines gemütlichen Betts nicht missen möchte – wer also ein 4×4-Abenteuer erleben will und gleichzeitig die Sicherheit und den Service einer geführten Tour schätzt, für den stellt Mieten eine super Möglichkeit dar, sich diesen Traum zu erfüllen“, sagt einer, der es wissen muss. Björn ist Tourguide bei Overland Travel und führte im August 2021 eine internationale Gruppe von fünf Expeditionsfahrzeugen über die Insel.
„Island ist ja eine Sache für sich. Viel Platz, unglaubliche Natur, wenig Menschen – so was findet man auf Festland Europa eigentlich nicht.“ Der 37-Jährige ist eigentlich Maschinenbauingenieur, betreut die Touren nebenberuflich, tauscht regelmäßig das Büro gegen die Natur. Overland Travel ist einer der wenigen Anbieter auf dem Markt, der seit mehr als zehn Jahren geführte Offroad-Touren mit firmeneigenen Expeditionsmobilen anbietet. Aber auch wer stolzer Fahrzeugbesitzer ist, kann an diesen organisierten Touren teilnehmen.
Overland Travel und Bliss Mobil
Overland Travel, Spezialist für Offroad-Training und geführte Expeditionstouren, verfügt über mehr als zehn Jahre Erfahrung in der Planung, Organisation und Begleitung (Techniker und Tourguides wie Björn) von Reisen abseits der bewohnten Welt und kooperiert mit Bliss Mobil, die die 13-Fuß-Units stellen.
Die Verschiffung ist der größte Kostenfaktor. Ziel ist, die Fahrzeuge künftig vor Ort in den Zielländern zu stationieren. Im Reisekalender von Overland Travel 2023 stehen Marokko, Südamerika, Island und das Nordkap. Weitere Informationen: Overland Travel, Rutgershof 6, 8161 TB Epe, Niederlande, www.overland.travel; Bliss Mobil
Das Motto: Reisen in einer kleinen Gruppe wie bei einer Rallye – in einem großen Team. Nicht nur auf den ersten Blick eine charmante Alternative? Während einige Teilnehmer es vorziehen, eine geführte Tour zu erleben, bevor sie den Kauf eines Expeditionsfahrzeuges in Erwägung ziehen, ist es für andere ein außergewöhnliches, einmaliges Erlebnis, das man alleine vielleicht nicht wagen würde.
Wer erst einmal mietet, umgeht die hohen Anschaffungs-, Unterhalts- und Transportkosten, ebenso sämtliche Verpflichtungen und den logistischen Aufwand. Im Gegenzug erhält er ein Rundum-Sorglos-Paket, bestehend aus zwei Tourguides mit langjähriger Reiseerfahrung, einem Techniker und hilfreichen Infos (Roadbook).
Ein gut vorbereitetes Fahrzeug sorgt dafür, dass die Teilnehmer die Reise in vollen Zügen genießen können. Overland Travel arbeitet seit Jahren mit Bliss Mobil zusammen, die die Fahrzeug-Aufbauten, sogenannte Units, stellen. „Für unsere Expeditionen ist keine Erfahrung erforderlich, nur ein Führerschein der Klasse C1, der zum Führen eines Fahrzeugs bis 7,5 Tonnen berechtigt“, so Björn. „Auch ein Fahrtraining ist nicht notwendig, eine Einweisung in die Unit und Fahrzeuge erfolgt vor Ort.“
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DAS MIETMOBIL
Die 13-Fuß-Unit: Mit einem Nettogewicht von 1.800 Kilogramm und einer Länge von 4,1 Metern ist der 13-Fuß-Aufbau von Bliss Mobil für jeden 4×4 Lkw – in diesem Falle ein Atego 1018 – mit einem Radstand von 3.200 bis 3.800 Millimetern geeignet. Das Gewicht eines Expeditionsfahrzeuges spielt eine elementare Rolle, daher setzt Bliss bei seinen 13-Fuß-Aufbauten auf leichte Aluminiumrahmen und 60-Millimeter-Verbundwände mit PET-Kern. Das hilft, das Gesamtgewicht unter der 7,5-Tonnen-Grenze zu halten.
#Der Frischwassertank befindet sich im Sitzbereich. Die Wasserkapazität beträgt dabei standardmäßig 300 Liter Frisch- und 150 Liter Grauwasser. Die Füllstände sind jederzeit per App ersichtlich. Die Unit verfügt darüber hinaus über ein Solarsystem, bestehend aus vier Solarmodulen mit einer Gesamtleistung von 960 Wp. Der erzeugte Strom wird in einem 24-Volt-Lithium-Ionen-Akku mit einer Kapazität von rund 400 Ah gespeichert. Ausreichend Energie für längere Autarkie. Zur komfortablen Ausstattung zählen zudem ein 40-Liter-Gefrierschrank, Klimaanlage und eine chemiefreie Zerhacker-Toilette.
4x4 Reise Island mit Overland Travel: Geführtes Erlebnis
Nach der Einweisung und mit dem Roadbook in der Hand, das die wichtigsten Informationen zur Tour enthält, geht es los. „Das Konzept sieht vor, dass es Tage gibt, an denen alle zusammen fahren – insbesondere bei anspruchsvolleren Offroad-Passagen – oder sich die Teilnehmer selbstständig und flexibel anhand von Waypoints orientieren und ihrem eigenen Rhythmus folgen“, erzählt Björn, der sich als 4×4-Tourguide einen kleinen Lebenstraum erfüllt hat. „Jede Tour ist neu, die Landschaft ändert sich, das Wetter, die Menschen, es kommt immer etwas dazwischen, aber genau das Unerwartete macht in gewisser Weise auch den Reiz von Expeditionen aus. Offroad unterwegs zu sein ist einfach ein wahnsinns Lebensgefühl.“
Die Route über Island ist abwechslungsreich, überfordert das international bunt gemischte, tendenziell eher ältere Teilnehmerfeld aber nicht: „Längere Offroad-Passagen, abwechselnd schweres und leichtes Gelände, Flussdurchquerungen, wir schauen, dass von allem und für jeden etwas dabei ist und da macht es Island uns sehr leicht. Die Landschaft ändert sich alle zwei Stunden: Straße, Schotter, schwarze Sandwüste, Lavafelder, da müssen die Fahrer schon aufpassen, dass die Reifen heil bleiben. Eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 10 km/h ist in anspruchsvollem Terrain nicht ungewöhnlich.“
Das Land abseits asphaltierter Straßen zu erkunden ist das eine – abseits in freier Natur legal zu übernachten ist auch in Island ein heiß diskutiertes Thema. „Freistehen ist in Island nicht erlaubt“, räumt Björn gleich zu Beginn mit einem weitverbreiteten Mythos auf. Die Übernachtung erfolgt auf Campingplätzen oder vorher mit den Landbesitzern abgestimmten Spots, darunter natürlich in der Regel abgelegene Plätze. „Lagerfeuerromantik kommt hier in Island allerdings eher weniger auf. Dafür ist es Richtung Herbst zu schnell dunkel und abends zu kühl“, erzählt Björn.
Was der 37-Jährige an diesen Touren schätzt, erklärt er so: „Die Gruppendynamik, die aufgrund des kleinen, begrenzten Teilnehmerfeldes von maximal fünf Fahrzeugen mit drei Sitzplätzen unterwegs entsteht sowie die unterschiedlichen Charaktere, die eines vereint: den Wunsch nach der außergewöhnlichen Erfahrung. 14 Tage lang den Alltag gegen Abenteuer und Luxus eintauschen.“
Flussdurchquerung mit dem Expeditionsmobil
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Wer stehen bleibt, verliert
- Schritt 1: Gelände prüfen: Wo fahre ich in das Flussbett und wo komme ich wieder heraus?
- Schritt 2: Wie tief ist das Gewässer? Entweder bei klarem Wasser abschätzen oder reinlaufen. Dabei auch die Strömung prüfen.
- Schritt 3: Das Fahrzeug vorbereiten: richtigen Reifendruck (5 Bar auf der Straße, 3 Bar Offroad für größere Aufstandsflä- che) und Sperre einstellen (Differenzialsperre/Heckdifferenzialsperre).
- Schritt 4: Flussdurchquerung: Mit niedrigem Gang und mittlerer Drehzahl fahren, falls Sand die Reifen festhalten will. Während der Flussdurchquerung weder schalten noch stehen bleiben.
Allrad Wohnmobil mieten: die Kostenfrage
Die ganzen Rahmenbedingungen haben ihren Preis – und der ist weitaus höher als Offroad-Touren mit gewöhnlichem Pkw und (Dach-) Zelt: Die zweiwöchige Expedition nach Island schlug mit circa 13.000 Euro pro Fahrzeug zu Buche, hinzu kommen Sprit, Verpflegung und Anreise in Eigenregie. Dennoch: „Das Feedback auf die angebotene Kombination aus geführtem Offroad-Erlebnis und den komfortablen Bliss-Units auf der einen Seite, Sicherheit und Rundum-Service auf der anderen Seite ist jedenfalls durchweg positiv“, resümiert Björn. „So garantieren wir für alle Beteiligten ein durchweg sicheres und entspanntes Erlebnis.“ Doch Vorsicht: Suchtgefahr. Nicht wenige Teilnehmer liebäugeln nach der Tour mit dem Kauf eines 4×4 Campers.
Expeditionsteilnehmer-Feedback: „Fast dekadent und an der Grenze zu verrückt"
Halb-Ägypterin Jennifer (33) und der gebürtige Tübinger Phillip (35) leben seit 2017 in Zürich und haben sich ihren Traum erfüllt. Als jüngste Mitglieder der Expeditionsgruppe haben sie mit Overland Travel an dem Trip nach Island teilgenommen. 4×4 Camper hat mit ihnen über ihre Eindrücke und Erfahrungen gesprochen.
4×4 Camper: Einstiegsfrage: Seid ihr (erfahrene) Camper?
Jennifer: Nicht direkt. Eine Wohnmobilreise nach Italien und in den USA vor einigen Jahren, das war ́s. Phillip: 2013 war ich auf einem dreiwöchigen Namibia-Trip als Selbstfahrer in einem 4×4 Camper samt Dachzelt unterwegs, aber klassisch mit Wohnmobil nicht wirklich. Wir sind aber sehr reisefreudig, waren mit einem Allrad- Pkw im Oman – aber das hier war eine ganz andere Nummer.
4×4: Ihr seid als junges Paar nicht gerade die Zielgruppe von Offroad-Expeditionen in dieser „Gewichtsklasse“. Wie kam es dazu, diesen Trip zu machen?
Jennifer: Um unser Fernweh zu stillen, streamen wir gerne Filme und Dokus rund ums Reisen (#Vanlife) und sind bei Ausbauern und Allrad-Expeditionen auf YouTube hängen geblieben. Der Algorithmus erledigte den Rest und versorgte uns weiter reichlich mit Offroad-Abenteuern. Die Faszination ließ uns nicht mehr los. Phillip: Mich faszinieren große Fahrzeuge. Vor vielen Jahren habe ich den Lkw-Führerschein C gemacht, falls es mit der Physik nichts wird. Damit hatte ich auch die Voraussetzung erfüllt, auch größere Mobile fahren zu dürfen.
4×4: Dann seid ihr auf die Möglichkeit des Mietens gestoßen?
Jennifer: Selber basteln und ausbauen oder kaufen – das kam für uns nicht infrage. Über Internet-Recherche sind wir schnell auf Overland Travel gestoßen. Phillip: Wir hatten Island schon länger im Auge, aber wollten nicht die klassische Ring Road abfahren, sondern die Insel abseits der Touristenströme kennenlernen. Offroad-Erfahrung im harten Gelände hatten wir bisher nicht.
4×4: Overland Travel bietet geführte Touren mit flotteneigenen oder auch privaten Expeditionsmobilen an. Wie stellt man sich so eine Tour vor?
Jennifer: Overland hat uns die Freiheit gelassen, selber zu bestimmen, ob wir uns an bestimmten Punkten treffen oder erst abends am Campsite. Nur bei schwerem Gelände war es sinnvoll, dieses zusammen zu „erfahren“. Zum Beispiel Flussdurchquerungen oder in der Felsenwüste, wo permanent die Gefahr bestand, sich die Reifen zu beschädigen. Die Orga im Vorfeld samt To-do-Liste war super. Vor Ort in Reykjavík haben wir eine Einführung in Unit und Fahrzeug erhalten, ebenso ein Roadbook mit Toureninfos. Phillip: Es war unser erster Urlaub in einer Gruppe. Das war auch eines der Highlights. Das gemeinsame Erlebnis, zusammen zu kochen und es sich im Mobil gemütlich zu machen.
4×4: Ein paar Worte zum MB Atego 1018 4×4 mit Aufbau von Bliss Mobil. Welche Erwartungen hattet Ihr an das Mietmobil?
Jennifer: Keine besonderen, wir waren eher überrascht über den hohen Standard. Induktionsherd, Fußbodenheizung, Bettwäsche, Handtücher, alles top ausgestattet. Wir haben gepackt, als würden wir ins Hotel gehen, nicht campen. Phillip: Der Atego fuhr sich quasi wie ein Pkw, auch wegen des kurzen Radstandes – und das im Gelände. Klar, ich musste mich erst wieder an die Luftbremse gewöhnen, dass meine Beifahrerin beim Bremsen nicht durch die Frontscheibe fliegt. Ebenso, dass der 1. Gang des 6-Gang-Schaltgetriebes sehr kurz übersetzt ist. Aber das hatte ich schnell raus.
4×4: Welche Vorteile seht Ihr in geführten Miet-Expeditionen?
Phillip: Trotz Lkw-Erfahrung war es doch gut, nicht alleine zu sein. Unterwegs haben wir via Funk mit unseren Guides kommuniziert: wann Untersetzung, wann Differenzial, wann Luftdruck senken. Das nimmt einem die Angst, etwas kaputt zu machen, vor allem, wenn es das erste Mal mit so einem Fahrzeug im Gelände ist.
Jennifer: Es ist quasi ein „Rundum-Sorglos-Paket“, sodass wir uns voll auf das Erlebnis konzentrieren konnten. Phillip: Generell ist es eine super Möglichkeit für einen Testurlaub: Ist so ein Expeditionsmobil etwas für mich, wenn ich mit einem Kauf liebäugele? Oder ist es nicht auf lange Sicht „preiswerter“, sich bei interessanten Angeboten eine Tour zu gönnen? Ich muss mir keine Gedanken um die Instandhaltung zu Hause und die technische Betreuung vor Ort machen und habe moderne Ausstattung.
4×4: Rückblickend: Was waren eure Highlights auf Island?
Phillip: Bis auf zwei Meter an die fließende Lava des Fagradalsfjall heranzutreten, die Hitze zu spüren und den Geruch wahrzunehmen. Das vergisst man nie. Jennifer: Das Farbspiel von Rot und Grün, das wir in Landmannalaugar erlebt haben. Dann um Mitternacht kurzerhand das Fahrzeug zu verlassen, um in eine Hot Spring zu hüpfen. Du hast Spaß, erlebst coole Dinge, du bist unterwegs, hast eine Wanderung gemacht und hast alles immer dabei. Abends auf dem Campsite dann die Webasto-Standheizung anschmeißen und du legst dich ins warme Bett. Das ist Komfort, um ehrlich zu sein, fast dekadent und an der Grenze zu verrückt!
4×4: Zum Schluss die unausweichliche Frage nach dem Preis, der abschreckt. Was gab den Ausschlag, es dennoch zu tun?
Phillip: Der Zeitpunkt war perfekt: Noch keine Kinder, kein Haus, das abgezahlt werden muss. Uns ist bewusst, dass wir das Glück hatten, das entsprechende Budget aufbringen zu können, aber wir mussten schlucken und haben lange hin und her überlegt, ob wir es wirklich tun sollen und es uns leisten wollen. Jennifer: Island ist mit nichts vergleichbar. Die Landschaft mit ihren Naturschauspielen – diese Einzigartigkeit war ein Grund. Und das versprochene Paket wurde zu 100 Prozent erfüllt.
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