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Differentialsperre – mal ehrlich, braucht es die?

26.10.2023
Text: Karsten Kaufmann | Bild: Hersteller

Ein Allrad-Camper ohne Differentialsperre gilt in Expertenkreisen als nicht wirklich geländetauglich. Schon in leichtem Gelände, so die Fachleute, droht das Steckenbleiben ohne Chance auf Weiterkommen. Warum das so ist, klärt dieser kleine Exkurs.

Um eine Differentialsperre verstehen zu können, muss man zuerst einmal einen Blick auf die Funktionsweise eines Differentials werfen – ein Bauteil, dass in jedem Fahrzeug zu finden ist – sonst wäre schlicht nur eine Geradeausfahrt möglich. Denn das Differential ermöglicht es, den Rädern in unterschiedlicher Geschwindigkeit zu drehen, ohne dass der Antriebsstrang verspannt. Diese Situation tritt immer dann ein, wenn das kurveninnere Rad auf einem kleineren Radius fährt, wie das kurvenäußere Rad, das folglich schneller drehen muss, da es in derselben Zeit eine längere Strecke absolvieren muss. Eine Situation der wir bei jeder Kurvenfahrt begegnen. Und je enger die Kurve, desto deutlicher die unterschiedlichen Radien.

Bei einem Camper mit Hinterradantrieb findet man also ein Differential an der Hinterachse, bei einem Fahrzeug mit Vorderradantrieb an der Vorderachse und bei einem Fahrzeug mit Allradantrieb an beiden Achsen. Technisch betrachtet gelingt dem Differential dieser Drehzahlausgleich, da die Antriebsleistung den Weg des geringsten Widerstandes folgt – leider mit recht negativen Folgen auf nassen Wiesen, im Sand oder Schlamm, an steilen Anstiegen oder in Verschränkungspassagen. Hier erhält dann immer genau der Reifen das maximale Drehmoment, der gerade auf klitschigem Untergrund eben nicht für Vortrieb sorgen kann – oder, bei komplett verschränkter Achse, schon hilflos in der Luft hängt.

Rien ne va plus – nichts geht mehr. Jetzt heißt es kreativ werden, um die Rutschpartie unter dem durchdrehenden Rad beziehungsweise den Rädern zu beenden. Im Schlamm helfen Schneeketten oder Anfahrhilfen wie Sandbretter, mitunter helfen schwere Matten oder flache Steine, die man unter den durchdrehenden Reifen schiebt. Immer mit der gebotenen Vorsicht: Greift der Reifen, schleudert er womöglich die unterlegten Hilfsmittel gegen die Fahrrichtung heraus.

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Was bringt eine Differentialsperre?

Sehr viel leichter lässt sich die Situation mit der eingangs erwähnten Differentialsperre meistern. Ein Knopfdruck reicht und eine im Differential integrierte Sperre verbindet die beiden Antriebsräder einer Achse miteinander und setzt somit die Wirkung des Differentials außer Kraft. Der Effekt: Beide Räder erhalten mehr oder weniger dasselbe Drehmoment. Je nach technischer Umsetzung der Differentialsperre erfolgt die Drehmomentverteilung leicht unterschiedlich, auch sperren nicht alle Differentialsperren zu 100 Prozent.

Neben den Differentialsperren für die Antriebsachsen verfügen leistungsfähige Allrad-Chassis wie Unimog oder Iveco Daily auch über eine zentrale Sperre, die den Gleichlauf von Vorder- und Hinterachse garantiert. Ein gewaltiger Vorteil, wenn beispielsweise am Hang beide Vorderräder durchdrehen und somit die gesamte Antriebsleistung vorne verpuffen würde. In diesem Fall sichert die zentrale Differentialsperre der Hinterachse noch ausreichend Antriebsleistung.

Nicht ganz unwesentlich: Wer beispielsweise einen Sprinter mit Hinterradantrieb fährt, profitiert von der Nachrüstung einer Differentialsperre enorm. Der Traktionsgewinn im Gelände bringt das Fahrzeug damit sehr nah an die Leistungen eines Allradfahrzeugs heran.

 

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