Des Vans größtes Manko ist der Platz. Zwar sonnt sich der Campervan im Schein eines coolen Images von Freiheit und Understatement, doch die Stunde der Wahrheit schlägt letztlich unerbittlich zu, wenn es um so profane Punkte wie Bewegungsfreiheit und Stauraum geht. Dann kommt es auf jeden Zentimeter an – vor allem, wenn es sich um einen kurzen Sechs-Meter-Kastenwagen handelt.
Industrie und Individualausbauer wissen um die Problematik und versuchen, mit ausgeklügelten Wohnraumlösungen den idealen Kompromiss zu finden. Trotzdem muss sich der Camper vor dem Kauf eines Vans Folgendes gut überlegen: Legt er mehr Wert auf große Betten oder lieber auf ein größeres Bad oder eine größere Küche oder doch lieber auf mehr Platz an der Sitzgruppe? Alles zusammen – das muss jedem klar sein – geht nicht. Die sprichwörtlich Eier legende Wollmilchsau, die im kompakten Van Platz wie im ausgewachsenen Wohnmobilen bietet, gibt es nicht.
Karmann Davis 610 LS mit besonderem Raumkonzept
Karmann Mobil aus dem rheinhessischen Sprendlingen versucht sich im 5,99 Meter kurzen Davis 610 LS an einer nicht ganz neuen, aber am Markt eher selteneren Grundriss-Variante: Im Heck montiert der Hersteller ein elektrisch höhenverstellbares und an Gurten sowie Schienen stabil geführtes Hub-Doppelbett, das dank seitlich einlegbaren, jeweils 15 Zentimeter breiten Polsterteilen eine stattliche Liegefläche von bis zu 190 mal 190 Zentimeter bieten kann. Zudem sorgen ein Holzlattenrost und die zehn Zentimeter dicke Kaltschaum-Matratze für guten Liegekomfort. Allerdings, zur Fahrerseite hin verjüngt sich das Bett auf 160 Zentimeter. Mindestens einer der beiden Camper darf also nicht besonders groß gewachsen sein, denn der Davis 610 LS ist als Längsschläfer konzipiert. Wir würden im Testwagen – zumindest wenn das Bett in unterster Position und mit den seitlichen Zusatzpolstern genutzt wird – also eher quer schlafen.
Flexibler Stauraum unter dem Hubbett
Da sich das Bett stufenlos in der Höhe verstellen lässt – praktischerweise vom Wohnraum und vom Heckstauraum aus –, lässt sich das Ladeabteil darunter auf bis zu 150 mal 192 mal 126 Zentimeter vergrößern. Selbst Fahrräder können so mühelos transportiert werden, obwohl das Bett nicht bis ganz unter die Decke gefahren werden kann. Das liegt an den seitlich über dem Bett montierten Oberschränken, auf dessen Einbau die Karmann-Entwickler zu Gunsten von Stauraum nicht verzichten. Wird das Bett auf Knopfdruck ganz herunter auf eine Höhe von 72 Zentimetern gefahren, um bequem ins Bett zu gelangen, bietet der Laderaum darunter mit 150 mal 105 Zentimeter noch ordentlich Platz für Gepäck und Campingmöbel. Durch einen herausnehmbaren Stauschrank (50 mal 50 mal 70 Zentimeter), der an den Küchenblock anschließt, bleibt die Stauraumsituation des Vans sogar weiterhin flexibel – ein sinnvoller Kompromiss in Sachen Stauraum und Liegekomfort, bei dem die erwähnten Fahrräder nachts allerdings ausgeladen und draußen geparkt werden müssen. Wer beides – also das Bett nutzen und die Fahrräder im Fahrzeug verstaut wissen – will, der muss mit eingeschränkter Kopffreiheit und knappen Bettenmaßen (160 mal 160 bis 190 Zentimeter) leben.
Küche
Die Arbeitsplatte der kompakten Längsküchenplatte (98 mal 49 Zentimeter) samt eingelassener Spüle (32 mal 32 Zentimeter), in der sich bis zu 24 Zentimeter hohe Töpfe abspülen lassen, besteht aus widerstandsfähigem Mineralwerkstoff. Arbeits- und Ablagefläche ist jedoch nur in Form der Glasabdeckung des Zweiflammkochers (inklusive elektrischer Zündung) vorhanden. Gut gemacht: Die Tür des an der Stirnseite des Küchenmöbels montierten Kompressorkühlschranks (70 Liter) ist beidseitig angeschlagen und lässt sich somit praktischerweise auch über die geöffnete Schiebetür bequem öffnen. Etwa, um beim Grillen im Sommer leichter an ein kühles Bier zu gelangen.
Bad
Das kompakte Längsbad gegenüber auf der Fahrerseite misst 80 mal 60 bis 66 Zentimeter in der Grundfläche. Um die knapp gehaltene Bewegungsfreiheit nicht weiter einzuschränken, baut Karmann ein Klappwaschbecken (36 mal 30 Zentimeter) aus Kunststoff ein. Stauraum gibt es dadurch aber eher wenig. Der Badedunst entweicht über ein Fenster zügig ins Freie. Der schmale Mittelgang des Davis 610 LS macht den Einbau einer zweiteiligen und mittig geteilten Klapptür nötig. Ist sie geöffnet, ragt sie 20 Zentimeter in den Gang hinaus, sodass sie den Durchgang in den vorderen oder hinteren Wagenteil versperrt.
Technik und Winterfestigkeit
Gasflaschenkasten, Frischwassertank und die Standheizung Truma Combi D4 finden ihren Platz gut zugänglich in den Seiten-Podesten im Fahrzeugheck. Aber natürlich ist die Heizung nachts, nahe des Bettes, deutlicher zu hören als bei der üblicheren Position unter der Sitzbank. Den 75 Liter fassenden Abwassertank montiert Karmann unterflur und isoliert ihn ab Werk, um den Davis ein gutes Stück winterfest zu machen.
Cleveres Tischsystem für die Sitzgruppe
Um die Bewegungsfreiheit und den Komfort an der Halbdinette zu erhöhen, greift Karmann auf einen pfiffigen Trick zurück. Denn letztlich beträgt der Abstand zwischen der Badezimmerwand und der B-Säule des Basisfahrzeugs lediglich 110 Zentimeter. Da muss jeder Zentimeter ausgenutzt werden, um die Bewegungsfreiheit und das Platzangebot zu maximieren. Deshalb lässt sich die klappbare Tischplatte in drei Größen gliedern. Um leichter in die Sitzgruppe einzusteigen, wird sie schmal gehalten (93 mal 23 Zentimeter), um zu zweit am Tisch zu essen, verbreitert sie sich auf 45 Zentimeter. Und damit auch ein Camper vom gedrehten Beifahrersitz aus Platz an der Tafel findet, wird eine 41 mal 23 Zentimeter große Tischverlängerung ausgefahren. Eine, wie wir meinen, gute Konzeptlösung, obwohl der Tisch stets eher schmal bleibt. Jungen Familien bietet Karmann noch die Möglichkeit, optional ein kleines Kinderbett aus der Sitzgruppe bauen zu können (530 Euro), das jedoch weitere Abstriche bei der Bewegungsfreiheit bedeutet. Besser also das Aufstelldach (7.890 Euro) wählen, wenn es das Budget zulässt.
Fazit
So, und besonders durch den flexiblen Heckbereich, ist der Davis 610 LS gut für alle möglichen Nutzungs-Szenarien gerüstet. Wer keinen Grundriss mit Querbett möchte: Der Aufpreis zum Sechs-Meter-Längsschläfer mit Festbett beträgt lediglich 400 Euro – da muss man eigentlich nicht lange überlegen.
Infobox
Technische Daten
Basisfahrzeug: Fiat Ducato 35 Light, Vierzylinder-Turbodiesel mit AdBlue und SCR-Katalysator. Hubraum 2.184 cm3, Leistung 103 kW (140 PS) bei 3.500/min, max. Drehmoment 350 Nm bei 1.400-2.500/min. Sechsgang-Schaltgetriebe, Frontantrieb. Abgasnorm Euro 6e.
Maße und Massen: (L x B x H)
599 x 205 x 265 cm, Radstand: 404 cm. Masse fahrbereit: 2.830 kg*, zulässige Gesamtmasse: 3.500 kg.
Aufbau: Stahlblechkarosserie (L3H2) mit Werkshochdach, isolierte Rahmenfenster. Isolierung (PE) an Dach und Wand 30 mm, Boden 50 mm.
Bett: Heck-Hubbett 190 x 190/160 cm
Füllmengen: Frisch-/Abwasser: 85 l innen liegend/75 l außen isoliert, Gas: 1 x 5 kg, Diesel 90 l, AdBlue 19 l
Serienausstattung: (Auszug) Kompaktbad mit integrierter Duschtasse, vollwertiger Küchenblock mit Mineralwerkstoff-Platte, Hubbett, Standheizung, Aufbaubatterie (95 Ah)
Sonderausstattung: Concept-Paket inklusive Lenkradbedienelemente, Außenbeleuchtung, lackierte Frontstoßstange, Fahrerhaus-Verdunklung, Mückengittertür, Lederlenkrad, Nebelscheinwerfer, Alufelgen 16 Zoll, Captain-Chair-Sitze, Radio-Vorbereitung, Rückfahrkamera 2.990 Euro
Testverbrauch: 9,8 l/100 km
Grundpreis: ab 58.000 €
Testwagen: 60.990 €
