> Praxistest Yucon 55 SB

Trafic-Campingbus mit Aufstelldach und langem Radstand

26.09.2024
Bild & Text: Daniel Schlicke

Bei Yucon gibt es den typischen Campingbus-Grundriss auch in einer Langversion, die deutlich mehr Platz und Bewegungsfreiheit bietet. Lohnt die etwas aufwendigere Parkplatzsuche?

Stolze 5,48 Meter misst der Yucon 55 SB. Sicher, das ist immer noch kompakt für ein Wohnmobil. Andererseits konkurriert der Campingbus auf langem Trafic nun weniger mit dem knapp 60 Zentimeter kürzeren Bulli, sondern vielmehr mit den kompakten Kastenwagen. Sowohl der Fiat Ducato als auch der Renault Master kommen in der Version L2 auf weniger Außenlänge als der Testwagen – und die bieten als ausgebauter Kastenwagen in aller Regel permanente Stehhöhe und die Annehmlichkeiten eines Badezimmers. Das ist vielleicht der Hauptgrund, warum viele Hersteller versuchen, ihre langen Campingbusse mit einem Sanitärbereich im Heck auszustatten. Räumlich sind diese dann meist nur halbhoch abgetrennt und deshalb kaum mehr als ein schlechter Kompromiss.

Der Grundriss im Yucon dagegen ist klassisch und bewährt, mit einer fahrerseitigen Möbelzeile, wie sie seit Mitte der Siebziger in den meisten Campingbussen steht – nur eben deutlich länger. Außergewöhnlich ist aber nicht nur die Länge, sondern auch das verwendete Material: Der Korpus, also das Grundgerüst der Möbel, besteht aus herkömmlichen Sperrholzplatten – was man an einigen offenen Schnittkanten in den Schränken auch sehen kann. Die Fronten dagegen sind aus Schichtstoff-Platten, welche aus Melaminharz-getränktem Papier gepresst werden.

High-Pressure-Laminate (kurz HPL) heißt der Werkstoff dann, der im Reisemobilbau meist höchstens als dünnes Furnier, hier aber als Vollmaterial verwendet wird. Das Material ist relativ unempfindlich, witterungsbeständig und recyclebar, aber auch relativ schwer.

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Trotzdem – und trotz Beinahe-Vollausstattung – bietet der Testwagen deutlich über 550 Kilogramm Zuladung. Das reicht locker, um im Alltag alle fünf gurtgesicherten Sitzplätze oder den bis zu zwei Meter langen Laderaum nutzen zu können.

Obwohl der Trafic sehr übersichtlich ist, erfordern enge Gassen die volle Aufmerksamkeit des Fahrers. Hier macht sich der lange Radstand bemerkbar.

Mit seiner aufpreispflichtigen 150-PS-Motorisierung ist der Testwagen auch gut beladen flott unterwegs – es sei denn, die Route führt wie im Test durch enge italienische Gassen. Dann macht sich der lange Radstand (plus 40 Zentimeter) und beim Rangieren auch die verhältnismäßig großen Bedienkräfte der Lenkung durchaus bemerkbar. Der lange Radstand bringt wiederum noch mehr Laufruhe ins ohnehin schon ordentlich arbeitende Trafic-Fahrwerk.

Zu dritt wird es natürlich kuschelig auf der 110 Zentimeter breiten, verschiebbaren Bank, die zwei Mal Isofix und mehrere Stauräume bietet.

Was den Trafic in beiden Radständen auszeichnet: relativ senkrechte Seitenwände und eine gerade Dachlinie. Das schafft zusätzlichen Wohnraum. Gerade bei den kompakten Campern zählt jeder Zentimeter – also neben den Abmessungen der Basis vor allem auch ein gut gemachter Ausbau. Fangen wir bei der verschiebbaren Sitzbank an, eine Eigenentwicklung. Laut Hersteller bietet diese eine niedrigere Sitzhöhe und dadurch mehr Kopffreiheit als das zuvor verwendete Modell vom Zulieferer, jedoch sind 90 Zentimeter immer noch nicht optimal.

Statt dritter Fensterreihe gibt es eine offene Ablage – uns taugt’s. Davor sind Lichtschalter, USB-Steckdosen und das Bedienteil der Dieselstandheizung sinnvoll platziert.

Ein echter Mehrwert hingegen: Die Sitzfläche lässt sich ausziehen, die Lehne in ihrer Neigung einstellen, was gerade auf Langstrecken zusätzlichen Komfort bringt. Auch das Verschieben der Bank gelingt leichter als bei der zuvor verwendeten Bank. Ist die Sitzfläche vollständig ausgezogen, kann die Lehne umgeklappt werden, sodass eine 192 mal 118 Zentimeter große Liegefläche entsteht. Ein Topper, der per Reißverschluss an der Lehne befestigt ist, gleicht letzte Unebenheiten aus – das untere Bett ist also durchaus komfortabel, aber definitiv von der strafferen Sorte.

Unser Favorit wäre das Bett im Aufstelldach inklusive Topper. Zwar fehlt es zum Lesen an direktem Licht, doch an den vier USB-Steckdosen kann eine LED-Schwanenhalslampe nachgerüstet werden.

Im Aufstelldach sieht das anders aus: Zusätzlich zur ohnehin schon bequemen Bettkonstruktion mit Federtellern und Kaltschaummatratze spendiert der Hersteller dem Testwagen einen weichen Matratzentopper, mit dem das Dachbett im Yucon ohne Übertreibung zu den besten am Markt verfügbaren Modellen gehört. Dieses Extra darf man sich also gerne gönnen, auch weil der Topper keinen Stauraum frisst, sondern im geschlossenen Dach unterkommt – was nur den wenigsten Campervans bis maximal zwei Meter Gesamthöhe gelingt.

Bei den Bettenmaßen kommt es ein bisschen darauf an, wo man das Maßband ansetzt: Matratze und Topper kommen auf 188 mal 120 Zentimeter, von Wand zu Wand gemessen bleibt hingegen deutlich mehr Platz – die 139 Zentimeter Breite, die Yucon im Prospekt verspricht, messen wir aber beim besten Willen nicht. In der Länge ginge noch etwas mehr, wenn der Hersteller eine spezielle Dachschale für den langen Radstand fertigen würde – hier stehen Aufwand und Nutzen aber sicherlich nicht im Verhältnis, und so bleibt es bei einer dezenten Dachreling, die die ungenutzten Zentimeter optisch überbrückt.

Das Solarpanel wurde sauber auf der lackierten Dachschale verklebt. Eine dezente Reling soll den langen Radstand optisch kaschieren.

Weitere Ausstattungsmerkmale: ein Zeltbalg aus angenehmem, atmungsaktivem Baumwollgewebe, vier USB-Steckdosen, Ablagen und umlaufende LED-Lichtleisten. Und auf der serienmäßig in Wagenfarbe lackierten Dachschale ist optional ein flaches Solarpanel verklebt. Dank italienischer Sonne, weil es als nennenswerten Verbraucher eigentlich nur den Kompressorkühlschrank gibt und weil Yucon den Testwagen zusätzlich mit einer mobilen Toilette ausstattet, sind wir also durchaus ein paar Tage autark unterwegs.

Beim Campen macht sich der lange Radstand natürlich positiv bemerkbar: Selbst mit der Klappbank in Schlafposition bleibt bis zu den gedrehten Fahrerhaussitzen etwas mehr als ein Meter Wohnraum – also ausreichend Platz, um sich auch zu zweit noch im Fahrzeug bewegen und um die mobile Toilette stellen zu können. Auch bleiben sämtliche Stauräume und der Kühlschrank zugänglich, was beim Yucon-Pendant mit kurzem Radstand nicht immer gegeben ist. Dass die Schränke bequem zugänglich sind, dafür sorgen auch die Lamellenschiebetüren, die Yucon verwendet und die anders als bei vielen anderen Campervans überhaupt nicht klappern.

Anlass für Kritik bietet lediglich der Küchenschrank, wo die Lamellen nach unten öffnen – durch die Schwerkraft, und weil der Hersteller zu schwache Magnete verwendet, passiert das schon mal durch eine Bodenwelle. Ansonsten bieten der Küchenschrank und die große Schublade unter der Sitzbank richtig viel Platz fürs Geschirr und für Vorräte. Gekocht wird auf einer Kocher-Spüle-Kombination mit zwei Flammen und elektrischer Zündung. Töpfe mit 16 und 20 Zentimeter Durchmesser können hier gleichzeitig befeuert werden – das sind gute Werte. Auch die Spüle bietet eine praktikable Größe.

Der Kühlschrank fasst 49 Liter, vier davon in einem fest verbauten Gefrierfach. Und er arbeitet angenehm leise. Auch eine Besteckschublade fehlt nicht. Darüber bringt Yucon noch eine Arbeitsfläche (29 mal 29 Zentimeter) auf robusten Auszügen unter. Nimmt man den 85 mal 50 Zentimeter großen, freistehenden Tisch hinzu und den Platz, der neben dem Kochfeld bleibt, hat man tatsächlich richtig viel Platz zum Kochen. Außerdem haben wir die ausziehbare Arbeitsfläche gerne genutzt, wenn der Tisch gerade draußen verwendet wurde oder wenn wir zu faul waren, ihn aus dem Kofferraum zu holen.

Der Kofferraum misst je nach Position der Bank bis zu zwei Meter in der Länge und kann außerdem auf 126 Zentimeter Breite 128 Zentimeter hoch beladen werden. An Möbeln bringt der lange Radstand einen zusätzlichen Rolloschrank, ein Gepäcknetz und mehrere offene Ablagen, die der Hersteller mit Rüttelkanten versieht. Dazu kommen die beiden großen Kleiderschränke, die jeweils halbhoch unterteilt sind, sowie einiges an Technik (über Revisionsblenden, teils aber schlecht erreichbar) und ein großer Frischwassertank (60 Liter) inklusive serienmäßiger Außendusche.

Auf dem Campingplatz erweitern Heckzelt und Markise (beides optional) den Wohnraum.

Zu letzterer passt das optionale Heckzelt, das zum Duschen einfach über die Heckklappe geworfen, mit Saugnäpfen am Fahrzeug befestigt wird und für längere Aufenthalte auch abgespannt werden könnte. Abgeschlossen werden kann der Yucon dann aber natürlich nicht mehr, doch dank kleinem Packmaß und der Privatsphäre beim Duschen hat es für uns durchaus seine Daseinsberechtigung.

Das gilt allgemein für die Ausstattung des Testwagens – obwohl man sich die in Wagenfarbe lackierten Stoßstangen, Schutzleisten und Spiegelkappen (Style-Paket Plus) sparen könnte, was am gehobenen Testwagenpreis letztlich aber nur 400 Euro ausmachen würde.

Unser Fazit: Auch der lange Radstand hat als Campervan durchaus seine Daseinsberechtigung, selbst ohne Badezimmer, das die Außendusche und das Heckzelt freilich nicht ersetzen können. Mindestens Stadtmenschen mit Zugriff auf einen Tiefgaragenstellplatz sollten sich den 55 SB definitiv einmal genauer ansehen.

Infobox

Technische Daten Yucon 55 SB

  • Basisfahrzeug: Renault Trafic Energy dci (L2H1), Vierzylinder-Turbodiesel AdBlue und SCR-Katalysator. Hubraum 1.997 cm³, Leistung 110 kW (150 PS) bei 3.500/min. Drehmoment 350 Nm bei 1.500/min. Sechsgang-Automatikgetriebe, Frontantrieb. Abgasnorm Euro 6d Final.
  • Maße und Massen: (L x B x H) 548 x 195 x 200 cm, Radstand: 350 cm. Masse im fahrbereiten Zustand: 2.505 kg*, zulässige Gesamtmasse: 3.070 kg.
  • Aufbau & Ausbau: Stahlblechkarosserie mit GfK-Aufstelldach, werksmäßige Verglasung mit Schiebefenstern. Isolierung: Boden 28 mm, Wände 15 – 17 mm XPS*, textile Wandverkleidungen. Möbelbau in Pappelsperrholz und HPL.
    Betten: klappbare 3er-Bank 192 x 118 cm,
    Aufstelldach 188 x 120 cm
  • Füllmengen: Frisch-/Abwasser: 60 l innenliegend/35 l außenliegend. Gas: 2,75 kg, Diesel 80 l, AdBlue 20 l
  • Serienausstattung: (Auszug) Klimaanlage, Tempomat, LED-Tagfahrlicht, Licht & Regensensor, Schienenboden, Isofix, LED-Wohnraumbeleuchtung, Aufbaubatterie (105 Ah AGM), Außendusche, Dieselstandheizung (2 kW).
  • Sonderausstattung: (Auszug) 150-PS-Motorisierung 2.000 €, Automatikgetriebe 2.700 €, Assistenz-Paket 2.000 €, 17-Zoll-Alufelgen 900 €, Metallic-Lackierung Kometgrau 1.800 €, DAB-Radio mit 8-Zoll-Touchdisplay 1.400 €, Markise 700 €, 100-Wp-Solarpanel 900 €, Heckzelt 650 €, tragbare Toilette 150 €, Matratzentopper 250 €.
  • Testverbrauch: 7,6 l/100 km
    Grundpreis: 56.900 €
    Testwagen: 73.400 €
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