Er war einer der Hingucker bei den Modellneuheiten 2024: der CaraLife von Weinsberg. Inspiriert von Grundrissen aus der Selbstausbau-Community stellte die Knaus-Schwestermarke einen Ausbau für den 6,36 Meter langen Fiat Ducato vor, der so ziemlich alles anders macht, als man es von herkömmlichen Ausbauten aus der Großserie kennt.
Charakteristisch ist das abgetrennte Fahrerhaus, das dahinter quer übers gesamte Fahrzeug eine riesige Küche ermöglicht. Es folgt eine Face-to-Face-Sitzgruppe mit gegenüberliegenden Sofas. Daran schließt sich ein opulentes Heckbett an, in dem sich quer wie längs übernachten lässt. Statt festem Bad setzt das Konzept auf eine mobile Toilette unter der Sitzbank und eine Duschwanne mittig im Raum unterm Bodenbrett, aus der sich bei Bedarf ruck zuck eine textile Duschkabine nach oben ziehen lässt. Respekt, Weinsberg traut sich was.
Aber funktionieren die bei der ersten Vorstellung und auf Messen viel beklatschten Ideen auch in der Praxis? Im Sommer war es dann so weit, der Weinsberg CaraLife rollte zum ausführlichen Praxistest vor die Redaktion. Zwei Wochen lang ging es die Küste der Normandie in Frankreich entlang, inklusive An- und Abreise mehr als 2.000 Kilometer. Ich muss zugeben, zu Testbeginn war ich sehr skeptisch, ob das gut gehen würde. Ein 636er-Ducato ohne festes Bad? Dafür mit einem abgetrennten Fahrerhaus, das es erfordert, stets auszusteigen und ums Fahrzeug herumzulaufen, wenn man von vorn in den Wohnraum wechseln will? Mal sehen.
Das abgetrennte Fahrerhaus hat seine Vorteile
Auf der Anreise stellen sich zunächst erste Vorzüge des abgetrennten Fahrerhauses heraus. Trotz meiner 1,92 Meter Körpergröße stelle ich fest: gute Aussicht in diesem Ducato. Keine Drehkonsolen und keine Verdunkelungsplissees – das verbessert die Voraussicht, insbesondere auf Ampeln, merklich.
Man schaut weniger auf die obere Scheibenkante, super. Zudem ist es während der Fahrt angenehm leise und trotz Temperaturen über 30 Grad kühlt die Klimaanlage das Fahrerhaus schnell herunter – dank Trennwand muss sie den Wohnraum schließlich nicht mitkühlen.
Nachteil der Trennwand: Ich habe den Sitz ganz zuückgeschoben – wer noch größer ist, dürfte Probleme bekommen, eine bequeme Position hinterm Lenkrad zu finden. Statt eines Beifahrersitzes verbaut Weinsberg eine Zweierbank, sodass zumindest drei Sitzplätze mit Gurt zur Verfügung stehen. Allerdings: Die Lehne dieser Bank steht ziemlich steil und ist nicht verstellbar, auch die Sitzfläche fällt recht kurz aus und es gibt keine Armlehnen. Mit dem Komfort eines normalen Beifahrersitzes kann die Bank somit nicht mithalten.
Der ständig nötige Weg ums Auto, um in den Wohnraum zu gelangen, stellt sich in der Praxis hingegen als unproblematisch heraus. Man hat sich schnell daran gewöhnt und es stört nicht weiter – es sei denn bei Regenwetter, dann würde man schon gern einfach nach hinten durchrutschen.
Viel Platz, wenig Aussicht
Was während des Praxistests tatsächlich störte, war die fehlende Aussicht im Innenraum nach vorn. Wer an der Sitzgruppe sitzt oder auf dem Bett liegt, sieht nur durch die geöffnete Schiebetür nach draußen. Das Seitenfenster an der Küche und das Fenster am Bett seitlich rechts fallen recht klein aus.
Im Testfahrzeug verstärkte sich der höhlenartige Eindruck, weil über dem Bett statt einer Dachluke eine Klimaanlage verbaut war. Dieses Extra sollte man sich gut überlegen, schränkt es doch Tageslicht und Luft gerade im hinteren Bereich merklich ein. Doch was taugt nun das andersartige Wohnraumkonzept in der Praxis?
Das Prunkstück: die L-förmige Küche
Betritt man das Fahrzeug durch die Schiebetür, steht man zunächst vor einer großen L- Küche, die sich als eines der Prunkstücke des CaraLife herausstellt. Auf zwei je rund 50 mal 50 Zentimeter großen Flächen neben Spüle und Herd herrscht richtig viel Platz, um Mahlzeiten vorzubereiten. In diversen Fächern und Schubladen findet sich reichlich Stauraum für Geschirr, Töpfe und Vorräte. Der rahmenlose Zweiflamm-Kocher mit aufgesetzten Brennern sieht nicht nur schick aus, er hat auch genug Platz für größerer Töpfe und Pfannen. Nur darf das Nudelwasser nicht überkochen.
Die Spüle mit hohem Rand misst großzügige 38 mal 38 Zentimeter. Weil der Wasserhahn frei neben der Spüle steht, muss man immer über den Beckenrand greifen, um den Hahn ein- und auszuschalten, was ebenfalls zu Wasser auf der Arbeitsplatte führt. Als sehr praktisch erwies sich das Mülleimer-Fach im Eck der Arbeitsplatte. Über der Spüle findet sich noch ein kleines Spiegelschränkchen, das auch einen Weinsberg-Kulturbeutel enthält – eher eine Spielerei.
Praktisch: Flaschenauszug zum herausnehmen
Ebenfalls super: das Schränkchen mit Flaschenauszug im Eingangsbereich. Der Flaschenauszug lässt sich sogar herausnehmen, die Frontfläche nach außen klappen und als Tischchen nutzen. Schade nur, dass das Flaschenfach für gängige (französische) Weinflaschen nicht hoch genug ist.
Der 90-Liter-Kompressorkühlschrank ist großzügig bemessen für die angepeilte Zweiercrew. Er arbeitet angenehm leise. Das Bedienpanel ist zwischen zwei Schubladen aber ziemlich versteckt angebracht.
Sitzgruppe mit 2 Längs-Sofas
Über eine 16 Zentimeter hohe Stufe geht es hinter der Küche zur Sitzgruppe. Die Längssofas sind 99 beziehungsweise 112 Zentimeter lang, hier könnten auch mal mehr als zwei Camper sitzen. Der Tisch lässt sich einfach nach hinten in den Heckstauraum unters Bett schieben und ist so in Sekundenschnelle verstaut oder einsatzbereit. Richtig stabil ist er allerdings nicht, die Platte lässt sich in ausgezogenem Zustand merklich hin und her bewegen.
Zum Essen sitzt man recht bequem. Wegen der kurzen Sitzflächen (beifahrerseitig 40 Zentimeter, fahrerseitig nur 38) findet man aber keine bequeme Position, um sich gemütlich hinzulümmeln. Drehbare Fahrerhaus-Pilotensitze sind definitiv bequemer.
Zum gemütlichen Lesen nutzt man im CaraLife daher lieber die Lounge-Funktion des Bettes: Die hintere Betthälfte lässt sich an soliden Ösen mittels zweier Spanngurte nach oben ziehen, dann kann man sich auf dem Bett liegend sehr bequem anlehnen. Das Prinzip mit den Spanngurten ist sehr robust, es lässt sich eigentlich aber nur vom Heck aus, also von außen, anbringen – hier findet Weinsberg vielleicht noch eine praktikablere Lösung.
Das Hochbett ist groß und vielseitig
Groß und vielseitig ist das Bett im CaraLife. Im Standard wird quer geschlafen, die Liegefläche ist dafür mit 168 Zentimetern sehr breit. Da das Bett höher eingebaut ist als sonst üblich, fehlen in der Länge aber ein paar Zentimeter. Von den maximal 190 Zentimetern nimmt der Fensterrahmen auf der Beifahrerseite noch mal zwei Zentimeter weg, sodass 188 Zentimeter wirklich nutzbar sind – für den Testredakteur zu wenig.
Deutlich komfortabler ist es deshalb, in Längsrichtung zu schlafen. Dafür kann man optional (348 Euro) den Lattenrost um rund 40 Zentimeter nach vorn ausziehen, was schnell und kinderleicht funktioniert. Polster drauf, fertig. Die Liegefläche misst jetzt gigantische 209 mal 190 Zentimeter, am Fußende beträgt die Breite noch 169 Zentimeter. Zudem muss nun keiner mehr über den Partner klettern, um das Bett zu verlassen. Die Höhe über der Matratze beträgt ausreichende 78 Zentimeter.
Oberschränke verbaut Weinsberg nur fahrerseitig, dafür durchlaufend bis zur Fahrerhaustrennwand. Die Fächer wirken auf den ersten Blick recht klein, doch passt mehr hinein, als man zunächst annimmt. Nur die Öffnungen fallen nicht allzu groß aus.
Riesiger Heckstauraum
Das hoch montierte Bett resultiert in einem riesigen
Heckstauraum. Er ist 93 Zentimeter hoch. Dank schma-
ler Seitenpodeste fällt auch die Breite des Stauraums
mit mindestens 135 Zentimetern großzügig aus. Mög-
lich werden die schmalen Podeste, weil hier kein Gasfla-
schenkasten untergebracht ist. Kompressorkühlschrank
und Dieselheizung sind Serie, somit wird Gas nur zum
Kochen benötigt.
Hierfür sieht Weinsberg auf der Fahrerseite hinter
dem Fahrerhaus einen Kasten für eine 2,75-Kilogramm
Campinggas-Flasche vor. Etwas kurios: Für die kleine
Flasche konstruiert der Hersteller einen Kasten im Kas-
ten. Der eigentliche Kasten wäre locker groß genug für
eine herkömmliche Fünf-Kilogramm-Flasche.
"Secret Shower" - die mobile Dusche
Und wie ist das nun mit Dusche und Toilette? Tatsächlich erfordert das CaraLife Konzept hier die größten Einschränkungen. Im Testfahrzeug war eine mobile Trockentrenntoilette dabei. Sie lässt sich einfach unter der beifahrerseitigen Sitzbank vorziehen und funktioniert einwandfrei. Allerdings steht die Toilette dann frei im Raum, der zweite Camper sollte also im Fall des Falles das Fahrzeug verlassen – eine Lösung, die im Fünf- Meter-Campingbus sicher akzeptabel ist, im großen Ducato-Kastenwagen aber etwas unangebracht scheint – hier muss jeder Interessent selbst entscheiden.
Erstaunlich gut funktionierte im Test hingegen die mobile Dusche, von den Marketing-Strategen auf den Namen „Secret Shower“ getauft. Bodenbrett zurückklappen, textile Kabine hochziehen und unter der Decke einhaken – das funktioniert ruck zuck. Mit Abmessungen von 75 mal 61 Zentimetern steht die Grundfläche der Dusche einem festen Bad kaum nach, im Gegenteil.
Der Schalter, um die Wasserpumpe zu aktivieren, befindet sich neben der Küche – das muss man wissen. Will man die textile Kabine nach dem Duschen zum Trocknen hängen lassen, lässt sich die Sitzgruppe so lange nicht nutzen. Man kann sie aber auch herausnehmen und draußen trocknen – auf jeden Fall ist eine gute Trocknung unbedingt zu empfehlen, will man Mief und im schlimmsten Fall Schimmel vermeiden.
Fazit zum Weinsberg CaraLife
Ein Blick auf die Preise: Wirklich günstig ist der Weinsberg CaraLife nicht. Zum Grundpreis von rund 62.000 Euro gesellen sich einige nötige Pakete und Extras. Der zugegeben sehr gut ausgestattete Testwagen überspringt spielend die 75.000-Euro-Marke. Eine Alternative zum Selbstausbau? Eher nicht.
Fazit: Der etwas andere Grundriss des Weinsberg CaraLife hat in der Praxis erstaunlich gut funktioniert. Riesiges Bett mit Lounge-Funktion, großer Heckstauraum und eine sensationelle Küche begeistern auf Tour. Weinsberg nutzt den gewonnen Raum durch das fehlende feste Bad gut aus.
Das abgetrennte Fahrerhaus hat aber Vor- und Nachteile. Befindet man sich im Wohnraum, bleibt das Fahrerhaus anders als bei klassenüblichen Grundrissen mit drehbaren Vordersitzen ungenutzt – so geht eben auch wieder Platz verloren und es wird klar, warum Weinsberg trotz fehlendem Bad den langen 636er-Ducato für den CaraLife verwendet. Fakt ist: Wer mit der mobilen Dusch- und Toilettenlösung leben kann, bekommt einen clever gemachten Campervan mit vielen guten Ideen.
Infobox
Technische Daten Weinsberg CaraLife
- Basisfahrzeug: Fiat Ducato Maxi, Vierzylinder-Turbodiesel, Hubraum 2.184 cm3, Leistung 103 kW (140 PS) bei 3.500/min, max. Drehmoment 350 Nm bei 1.400-2.500/min, Sechsgang- Handschaltgetriebe, Vorderradantrieb, Euro 6d.
- Maße und Massen: (L x B x H) 636 x 205 x 258 cm, Radstand 404 cm, Stehhöhe 190 cm. Masse fahrbereit: 2.918 kg, zulässige Gesamtmasse 3.500 kg.
- Betten: Querbett 190 x 168 cm, erweiterbar zum Längsbett 209 x 190/168; Sitzgruppe nach Umbau 176 x 111/90 cm.
- Füllmengen: Frisch-/Abwasser 109/90 l; Gas 1 x 2,75 kg;
Kühlschrank 90 l; Diesel 90 l; AdBlue 19 l - Serienausstattung (Auszug): Fahrer- u. Beifahrerairbag, Beifahrer-Doppelsitzbank, Tempomat, 90-l-Kraftstofftank, Rückfahrkamera Fiat, textile Duschfaltkabine, Dieselheizung Truma Combi 4D, Wasserversorgung mit Tauchpumpe, Ladebooster.
- Testverbrauch: 8,3 l
- Grundpreis: 62.240 €
- Testwagenpreis: 79.732 €