Ruhe, Natur, Freiheit. Die Eckpfeiler des Campingtraums liegen in der Regel ein gutes Stück weit vom Alltag und dessen Herausforderungen entfernt. Noch vor etwas mehr als einem Vierteljahrhundert war die räumliche Überbrückung dieser Distanz eine eher zähe Geschichte. Schwachbrüstige Saug- oder kaum potentere Turbodiesel in den Campern trugen einen im Wanderdünentempo dem Urlaubsort entgegen. „Lieber sterben, als Schwung verlieren“ war eine viel zitierte Redensart gestresster Van-Fahrer. Erst der VW T4 mit TDI-Motorisierung verlieh der Szene Flügel und hob das bis dahin gültige Raum-Zeit-Gefüge auf.
Der Vantourer Urban: 190 PS und über 200 km/h Höchstgeschwindigkeit
Kaum 25 Jahre später brennt der Vantourer Urban auf Mercedes Vito-Basis mit echten 207 km/h über die Autobahn. Ein günstiger Cw-Wert, 190 PS und 440 Nm Drehmoment machen es – wenn nötig – möglich. Ob man das braucht oder will, soll jeder für sich entscheiden. Fakt ist jedoch, dass moderne Vans auch aufgrund ihrer teils sehr starken Motoren selbst für termingestresste Zeitgenossen alltagstauglich geworden sind.
Unser Vantourer ist somit ein sehr guter daily driver. Die Ausstattung des Sternenkreuzers ist solide. Modernes LED-Licht, Abstandsradar sowie viele weitere Helferlein und Assistenzsysteme setzen positive Akzente, während die halbautomatische Klimaanlage und die fehlenden Park-Piepser vorne das glänzende Gesamtbild etwas trüben.
Bling-Bling-Faktor: 19-Zoll-Alufelgen
Sei es drum, volle Hütte muss ja auch bezahlt werden und mit etwas Übung kann man die Länge der Motorhaube beim Parken gut abschätzen. Mit ordentlichem Bling-Bling-Faktor stechen die 19-Zoll-Alufelgen des Vans ins Auge. Doch sie sehen nicht nur gut aus, sondern fahren auch so. Dank zielgenauem Lenkverhalten und gutem Komfort sorgen sie neben der ordentlichen Dämpfung des Vans für eine harmonische Fahrt.
Im Innenraum deckt die verschieb- und herausnehmbare Rückbank mit zwei Isofixaufnahmen des Urban sowohl den Familien-, als auch den Warentransport gut ab. Wird maximales Ladevolumen benötigt, kann neben der Rückbank auch der Küchenblock entnommen werden, wodurch die linke Schiebetüre voll nutzbar wird. Soweit zum Alltagsbetrieb.
Was kann der Vantourer in der Prime-Version, der höchsten Ausstattungslinie des Urban, im Freizeitbetrieb reißen? Hier teilte das grimmige Wetter zu Testbeginn erst einmal kräftig aus. Ein Frostschaden, höchstwahrscheinlich beim verschneiten CamperVans 4×4-Fahrertraining in Biberach zugezogen, raffte die Wasserpumpe dahin und legte somit die Wasserversorgung des Küchenblocks lahm. Das Thema wurde ein Fall für Vantourer- Händler Rocket-Camper in Remshalden, der sich als kompetenter und schneller Helfer erwies. Er spürte den Fehler trotz eines sehr kurzfristig vereinbarten Termins schnell auf und behob ihn fachgerecht – Danke dafür.
Das Küchenmodul
Im herausnehmbaren Küchenblock fällt negativ auf, dass sich hinter der linken Klappe zwar ein großes Staufach verbirgt, dieses aber ohne Zwischenböden ist. Wer hier Küchenutensilien unterbringen möchte, benötigt entweder das berühmte Siemens Lufthaken-System oder ein Zero-Gravity-Modul, mit dem sich Dinge im schwerelosen Raum stapeln lassen. Ist beides nicht zur Hand, verzweifelt man einfach.
Nicht arretierbar: der Kühlschrankdeckel
Ein weiteres Ärgernis im Bereich Küche: Der Deckel des tiefen Kühlschranks lässt sich nicht arretieren. Er muss beim Be- und Entladen festgehalten werden. Da er recht schwer ist, tut es ordentlich weh, wenn er selbstständig der Schwerkraft folgt und auf einen Finger trifft. In der Kombüse kann Vantourer also noch nachlegen. Und wie sieht es bei den Kojen aus?
Die Schlafmöglichkeiten im Vantourer Urban Prime
Im EG bettet man sich auf der bereits erwähnten Aguti-Klappsitzbank, bei der die Liegeflächenverlängerungen direkt im Gestell unter der Bank verstaut werden. Leider ist die Liegefläche weder eben noch weich. Wer auf der Bank komfortabel nächtigen möchte, muss einen Topper darüberlegen. Diesen tagsüber zu verstauen, wird aber die nächste Herausforderung im kompakten Urban. Im OG dagegen liegt es sich komfortabel. Normal gewachsene Personen unter 190 cm Länge und unter 100 kg Masse treffen hier auf eine Liegefläche von 200 x 115 cm, deren Matratze auf einem Rost aus Tellerfedern liegt.
Das SCA-Dach bietet am niedrigen Ende immerhin 45 cm Aufstellhöhe, was den Füßen genug Bewegungsfreiheit einräumt und es sogar ermöglicht, mit dem Kopf in Richtung Fahrzeugheck zu liegen. Die Seitenwände des Dachs sind mit drei Fenstern versehen, zwei davon sind mit Fliegengittern ausgestattet, was für gute Durchlüftung in warmen Nächten sorgt. Wer also komfortabel schlafen möchte, sollte das OG und die damit verbundene Kletterpartie dem EG im Urban vorziehen.
Viel in Bewegung: die Rücksitzbank
Kompakte Vans sind beim Camping immer stark kompromissbehaftet. Beim Urban fällt auf, dass die Nutzung des hinteren Schranks und dessen Fächern immer in einem gewissen Konflikt mit der Lehne der Rücksitzbank steht. Möchte man an die vorderen Fächer gelangen, die in Fahrtrichtung hinten angeschlagen sind, muss die Bank entweder ganz nach vorne oder ganz nach hinten geschoben werden.
Möchte man die hinteren Klappen erreichen, muss die Bank ein Stück nach vorne – und man selbst von hinten durch die Heckklappe auf die Staufächer zugreifen. Gerade bei Schlechtwetter keine glückliche Option. Soll auf den Küchenschrank zugegriffen werden, muss die Bank wieder nach hinten … Dieses hin und her hat auch Auswirkungen auf den Stauraum hinter der Rückbank. Denn dieser kann nur zu einem Bruchteil genutzt werden, wenn die Bank verschiebbar bleiben soll.
Trotz seiner „Macken“ im Hochglanzlack des Urbans freuen wir uns auf viele weitere Kilometer und Reisetage mit dem Vantourer. Der nächste Trip wird ihn nach Gotland entführen.
Mehr zu den Vantourer-Modellen gibt´s hier.