Da steht er nun, der Thronfolger der Nugget-Familie. Und „im Schatten“ dahinter mein eigener Camper, Baujahr 2022. Noch nicht wirklich alt, aber im Vergleich zur neuesten Nugget-Generation doch ein kleiner Quantensprung. Jung gegen junggeblieben: Was ist im neuen Nugget besser gelungen, was wurde im Vergleich zum „Alten“ eher verschlimmbessert? Der Reihe nach:
Neuer Ford Nugget: Optik & Fahrgefühl
Auf dem Caravan Salon in Düsseldorf war der überarbeitete Nugget ein Publikumsmagnet. Kein Wunder: Die sportliche Silhouette gefällt, er wirkt trotz vergleichbarer Gesamthöhe von plus/minus 205 Zentimetern markanter, schnittiger, eben automotiver und nicht mehr so „kastig“ wie der Vorgänger. Bereits kleine Details, wie die andere Form und der Seitenspiegel und des Kühlers, verstärken diesen Eindruck. Klarer Pluspunkt.
Unerwartet gut und dennoch erwartbar zeigt er sich auf der Straße. Basis des Goldstücks ist der zur Saison 2023 komplett überarbeitete Ford Transit Custom. So wird erstmals ein elektrifizierter Plug-in-Hybrid angeboten – und Allrad. Das Fahrwerk mit Einzelradaufhängung auch an der Hinterachse, manuell oder Achtgang-Automatik und unzählige Assistenzsysteme machen den Neuen dank des insgesamt spürbar besseren Federungskomforts agiler, eben Pkw-ähnlicher – weg vom Transporter-Fahrgefühl. Das umgestaltete Armaturenbrett unterstreicht diesen Aspekt.
Wohn- & Raumgefühl
Das wichtigste vorneweg: Es bleibt beim bewährten und Nugget-typischen Zweiraum-Konzept, das sich mit L-Küche und fünf Sitzplätzen vom Großteil der Mitbewerber abhebt. Vorn wohnen und spielen, hinten in Ruhe kochen – oder das stille Örtchen aufsuchen. Gerade für Familien ein simpler wie genialer Grundriss, der auf engstem Raum Küche und Wohnraum trennt – und Generationen von Nuggetfahrer zu Fans machte.
Was neu ist: Die Möbel wurden umgestaltet. Größte Änderung: Ein Schubladen-Kühlschrank ersetzt den bisherigen Toploader. Das erleichtert den Zugang, allerdings wussten sich findige Nuggetiere bisher auch zu helfen, zum Beispiel mit passgenauen, stapelbaren Boxen mit Henkeln. Man braucht jetzt Platz zum Ausziehen. Die Gasflasche findet sich nun unterm Kühlschrank, was praktisch ist. Dagegen weniger sinnvoll: Die integrierten Lautsprecher in der Ablage zwischen Küche und Rückbank reduzieren wertvollen Stauraum. In Campern dieser Größe – wir sprechen vom kurzen Radstand mit knapp über fünf Metern Fahrzeuglänge – zählt eben jeder Zentimeter.
Last, but not least zieht der Nachfolger auch in Sachen moderne Konnektivitätslösungen nach und punktet erstmals mit integriertem 5G-Modem, das ebenso zur Grundausstattung zählt wie eine induktive Ladeschale für Smartphones. Gesteuert werden alle Funktionen an Bord über das neue Sieben-Zoll-Touchscreen mit neu gestaltetem Farbmonitor. Für die autarke Stromversorgung steht ein Solardach (350 Wp) bereit.
Neue Küche
Neben dem Schubladen-Kühlschrank hat Westfalia die separate Kochstelle und Rundspüle gegen eine Kocher-Spüle-Kombination getauscht, ebenfalls von Dometic. Das sieht schick aus und verspricht etwas mehr Arbeitsfläche. Nugget-Veteranen haben das runde Waschbecken gerne mit einem multifunktionalen Schneidebrett abgedeckt.
Übrigens: Eine Warmwasserversorgung für Warmduscher samt Außenanschluss ( gegenüber der Winkelküche am Kleiderschrank) ist künftig serienmäßig.
Wohnbereich mit mehr oder weniger Kopffreiheit
Hier im „Wohnbereich“ macht sich allerdings die reduzierte Stehhöhe bemerkbar, die bei geschlossenem Dach niedriger ist und zu Lasten der Bewegungs- und Kopffreiheit geht. Die Höhe schrumpft innen von 140 auf ca. 133 Zentimeter. Ein neuer Klappmechanismus des Bettgestells schafft bei geöffnetem Dach dagegen mehr Kopffreiheit im vorderen Bereich um den Tisch herum. Dafür muss auf die praktische, wenn auch immer nur temporär nutzbare Ablagefläche auf dem Dach über den Fahrersitzen verzichtet werden.
Ein Wort zum Bett im Aufstelldach: Ja, auch die Bettenmaße oben sind etwas knapper bemessen als im alten Modell, allerdings waren die bisherigen Maße in dieser Klasse bereits top und können sich trotz etwas schmalerem Bett (Breite neu 127 Zentimeter vs. alt 140 Zentimeter) und gleichem Tellerfeder- Komfort auch weiterhin sehen lassen. Deutlich besser geworden ist der überarbeitete Schließmechanismus. Beim Absenken des Aufstelldaches faltet sich der Zeltbalg automatisch noch besser nach innen, sodass die Schnalle einfacher geschlossen werden kann, als das bisher der Fall war.
Wenig Platz im Küchenbereich
Eher ein Ärgernis ist die ausladende und optisch gewöhnungsbedürftige Heckklappe. Grund: Sie beinhaltet zwei Stühle, während der Tisch in die Seitentür gewandert ist. Durch diesen Umstand wirkt der Stehbereich in der Küche zusätzlich bedrückend. Wer nun versucht, die mobile (Trenn-)Toilette aus dem neuen Unterbringungsort unter der Küche hervorzuholen und Platz zu nehmen, wird die fehlenden rund zehn Zentimeter schmerzlich vermissen – denn schon im Alten war der Platz nicht gerade üppig.
Verschieben der Sitzbank wird zum Fingerspiel
Ein wahrer Clou ist der überarbeitete Schiebemechanismus samt Bedienelementen der Sitzbank. War beim Vorgänger ganzer Körpereinsatz und etwas Nachhilfe mit Trockengleitspray gefragt, ist das nun ein Fingerspiel. Die dreisitzige Schlafbank gleitet geschmeidig über die Schienen. Für Frostbeulen dürfte die elektrische Sitzheizung interessant sein, die bei Landstromversorgung theoretisch auch beim Schlafen zur Verfügung steht.
Ein Highlight: die Verdunkelung
Zu den absoluten Highlights zählt die überaus praktische, integrierte Verdunkelung. Sie verschwindet in der Innenverkleidung und kann einfach nach oben gezogen werden. Sie ersetzt die zwar weitaus wohnlichere Vorhang-Lösung, aber die schwergängigen Druckknöpfe wird sicher niemand vermissen.
Fazit
Das markantere, automotivere Außendesign und das Fahrgefühl gefallen richtig gut. Und ja, der Neue besitzt weiterhin die Nugget-DNA mit dem praktischen Grundriss. Er punktet im Vergleich mit verbessertem Sitzschienensystem und praktischen Goodies wie integrierter Verdunkelung und grafisch ansprechendem Steuerungsdisplay.
Doch: Es wirkt nicht nur alles etwas kleiner und kompakter im neuen Nugget, es ist so.
Insbesondere im Küchenbereich ist es mir persönlich ein Tick zu eng. Es sind die paar Zentimeter, die dann eben doch fehlen. Und: Die Hochdach-Variante, die noch ein bisschen mehr Platz bot, ist gar nicht mehr zu haben. Neueinsteiger können sich vermutlich leichter damit anfreunden als Nugget-Veteranen. Ich würde meinen 2022er nicht eintauschen wollen, obwohl – technisch gesehen spricht vieles für die Neuauflage.
Infobox
Technische Daten
Basisfahrzeug: Ford Transit Custom 2.0 EcoBlue Titanium
- Vierzylinder-Turbodiesel mit AdBlue und SCR-Kat, Hubraum 1.996 cm³. Leistung 110 kW (150 PS) bei 3.500/min, max. Drehmoment 360 Nm bei 1.750/min.
- Sechsgang-Schaltgetriebe, Vorderradantrieb, Abgasnorm Euro 6e.
Maße und Massen:
- (L x B x H) 505 x 228 x 205 cm, Radstand: 301 cm,
- zulässiges Gesamtgewicht: 3.200 kg.
- Bett: Aufstelldach: 205 x 125 cm, Schlafbank: 190 x 120 cm.
Füllmengen:
- Frisch-/Abwasser: 33 l / 30 l innen-/außenliegend (beheizt),
- Kühlschublade 33 l,
- Diesel 55 l, AdBlue 21l.
Serienausstattung (Auszug):
- LED- Scheinwerfer, Rückfahrkamera, Dieselstandheizung, Warmwasserboiler, Touchscreen- Steuermodul, 2x Isofix, Tisch-&-Stuhl-Set.
Grundpreis: ab 73.125 €
Weitere Infos: www.ford.de