Ab Werk rollen der Fiat Ducato und seine Geschwister Citroën Jumper und Peugeot Boxer stets frontgetrieben über den Asphalt. Vor allem mit einem schweren Campingausbau, der Gewicht auf die Hinterachse bringt, ist es um die Traktion nicht zum Besten bestellt – schon feuchte Wiesen bringen viele Mobile schnell an ihre Grenzen. Die Crux: Einen traktionsfördernden Allradantrieb für die bei vielen Campern beliebten Basisfahrzeuge gibt es nicht. Zumindest nicht direkt von den Herstellern.
Eine Lösung bietet die Firma Dangel im französischen Elsass. Seit mehr als 40 Jahren werden in Sentheim Pkw und Transporter auf Allradantrieb umgerüstet. 2021 haben rund 3.500 Fahrzeuge die Werkshallen verlassen. Etwa 500 davon waren Jumper oder Boxer, davon wiederum 350 bis 400 für ein Leben als Camper bestimmt. „Wir wollen das weiter ausbauen“, sagt Dangel-Marketingleiter Philippe Kalb.
Das Allradsystem der 4×4-Spezialisten aus Frankreich macht Kastenwagen zwar nicht zu Expeditionsfahrzeugen, erweitert den Einsatzbereich aber durchaus beträchtlich. Das System wird per Knopfdruck aktiviert, eine Visco-Kupplung leitet bei Schlupf an der Vorderachse Kraft an die Hinterräder – ganz automatisch, ohne Zutun des Fahrers. Also auf zum nächsten Händler, einen ausgebauten Kastenwagen schnappen und ab zu Dangel zur Allrad-Umrüstung? Ganz so einfach ist die Sache leider nicht.
Umrüstung derzeit nicht für Fiat Ducato möglich
Erstes Hindernis: Derzeit ist eine Umrüstung nur für Citroën Jumper und Peugeot Boxer möglich, nicht aber für den deutlich häufiger am Markt anzutreffenden Fiat Ducato. Grund: Die Ducato-Motoren schaffen mit dem Allradsystem nicht mehr die nötige Abgasnorm Euro 6d Temp. „Wir bekommen derzeit keine Homologation für den Fiat Ducato“, erläutert Dangel-Marketingleiter Kalb. Ob und wann eine Umrüstung auch für den Fiat Ducato wieder möglich sein wird, ist aktuell noch unklar.
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ab Werk Dangel zzgl. MwST.:
- 4×4-Umbau für Radstand 3.000 und 3.450 mm: 8.850 €
- 4×4-Umbau für Radstand 4.035 mm: 9.050 €
- Differenzialsperre Hinterachse: 990 €
- Motorschutzblech: 380 €
- Schutzbleche für Additiv- und Kraftstofftank: 370 €
- Umbereifung auf M+S Allwetterreifen: 990 €
- Erhöhung der Bodenfreiheit mit dritter Blattfeder: 1.250 €
Umrüstung nur bei Neufahrzeugen
Zweites Hindernis: Dangel rüstet ausschließlich Neufahrzeuge um, vornehmlich von Herstellern, mit denen eine direkte Kooperation besteht. Neufahrzeug bedeutet, dass das Modell höchstens wenige (Transport-) Kilometer gefahren und noch nie zugelassen worden sein darf. Mit einem gebrauchten Jumper/Boxer-Ausbau bei Dangel vorstellig werden – keine Chance.
Vorsicht ist auch bei der Konfiguration des Neufahrzeugs geboten: Der 120-PS-Basismotor ist nicht mit dem Allradantrieb kompatibel, es muss die 140- oder 165-PS-Version sein. Die Finger lassen müssen Allrad-Interessenten auch von Assistenzsystemen wie Notbrems- oder Spurhalteassistent. Sind diese Helfer im Fahrzeug verbaut, ist die 4×4-Option nicht möglich.
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Kernelement des Dangel-Allrads ist eine Visco-Kupplung zwischen Vorder- und Hinterachse. Normalerweise ist das Fahrzeug wie gehabt mit Frontantrieb unterwegs. Per Knopfdruck wird das 4×4-System in Bereitschaft versetzt. Verlieren nun die Vorderräder die Haftung, leitet das System Kraft an die Hinterräder. Das geschieht automatisch und ohne weiteres Zutun des Fahrers. Bis zu 90 Prozent der Antriebskraft können an die Hinterachse geleitet werden.
Die 4×4-Option beinhaltet auch ein neu abgestimmtes, zusammen mit Bosch entwickeltes ESP. Optional bietet Dangel eine Differenzialsperre für die Hinterachse an. Eine Untersetzung, die steile Auf- und Abfahrten erleichtern würde, ist nicht im Programm, auch keine wirkliche Höherlegung. Mehr als 20 Millimeter sind nicht drin. Möglich sind als Option noch ein Unterfahrschutz, Schutzbleche für Kraftstoff- und Additiv-Tank und eine Umbereifung auf AT-Reifen.
Tatsächlich führen einige Wohnmobil-Hersteller die Dangel-Option in ihrer Preisliste. Kalb zufolge besteht eine derartige direkte Kooperation derzeit mit den deutschen Anbietern Bürstner und Clever sowie mit den slowenischen Marken Bravia und Robeta. Eine Sonderrolle nimmt der Händler Wohnmobilarena in Norddeutschland ein, der seinen Kunden Modelle von Pössl und Adria mit Allradantrieb anbietet (siehe dazu auch Interview). Details zu den aktuell in Deutschland verfügbaren Marken und Modellen bietet unsere Übersicht in der Galerie.
Kastenwagen mit Dangel-Allradantrieb bestellen
Selbstausbauer können sich bei einem Citroën- oder Peugeot-Händler einen leeren Kastenwagen bestellen und die Dangel-Option mitordern. Die Abwicklung läuft dann über die Firma De Bondt in Hamm, die in Deutschland als Ansprechpartner und Vertreter von Dangel fungiert. Lucas De Bondt verzeichnet eine stetig steigende Nachfrage aus dem Campingbereich.
Bei den Herstellern, die direkt mit Dangel kooperieren, geht das Basisfahrzeug aus dem Werk in Italien zunächst direkt zu Dangel ins Elsass. Dort bauen die Spezialisten den Allradantrieb ein, bevor das Mobil zum jeweiligen Ausbauer transportiert wird, der dann den Campingausbau vornimmt. Anders hingegen, wenn ein Händler wie die Wohnmobilarena tätig wird.
„Das ist für uns ein sehr aufwendiger Prozess“, erläutert Sebastian Treinat. Der fertige Pössl oder Adria wird zu ihm nach Bargenstedt in Schleswig-Holstein transportiert. Dort bereitet Treinat die Allrad-Umrüstung vor. Zum Beispiel muss der im Standard mittig unterflur verbaute Abwassertank raus, ebenso weitere Anbauteile am Unterboden wie eine elektrische Trittstufe oder eine Reserveradhalterung.
So vorbereitet, geht das Fahrzeug zu Dangel, bekommt den Allradantrieb, wird zurück zur Wohnmobilarena transportiert, wo Treinat die abmontierten Teile wieder anschraubt und auf Wunsch einen neuen Abwassertank fertigen lässt, der dann seitlich neben der Kardanwelle seinen Platz am Unterboden des Fahrzeugs findet. Rund drei Arbeitstage veranschlagt der Händler für die bei ihm nötigen Arbeiten.
Womit wir bei einem weiteren Problem wären: Wer einen Dangel-Jumper oder -Boxer möchte, braucht generell und derzeit ganz besonders einen langen Atem. Zu den ohnehin schon teils exorbitanten Lieferzeiten der Wohnmobilhersteller kommen in der Regel drei bis vier Monate für die Umrüstung bei Dangel. Denn die Franzosen sammeln zunächst einige Bestellungen, um dann ihre Fertigungsstraße darauf einzustellen und die Fahrzeuge hintereinander weg umzurüsten.
Wer jedoch die nötige Geduld mitbringt und den Mehraufwand durch einen dritten Partner (neben Chassis- und Ausbauhersteller) nicht scheut, der bekommt mit einem Dangel- Kastenwagen ein vergleichsweise preiswertes 4×4-Mobil mit robuster Technik.
Interview mit Sebastian Treinat, 4x4 Experte beim Händler Wohnmobilarena
"Wir haben Bock auf solche Nischen"
Einen besonderen Weg geht der Händler Wohnmobilarena im schleswig-holsteinischen Bargenstedt. Dort kümmert sich Sebastian Treinat auf Kundenwunsch um die Umrüstung auf den 4×4-Antrieb von Dangel.
Herr Treinat, wie kamen Sie als Händler auf die Idee, Campingfahrzeuge mit einem 4×4- Antrieb auszurüsten?
Sebastian Treinat: Wir sind ein kleines Familienunternehmen. Mein Vater hatte den Wunsch, eigene 4×4-Camper anzubieten. Ich habe mich dann dahintergeklemmt. Über den Deutschland-Importeur De Bondt entstand der Kontakt zum französischen Allrad-Spezialisten Dangel. Seit rund zwei Jahren bieten wir nun bei Dangel umgerüstete Kastenwagen an.
Wie läuft das genau ab, wenn ein Kunde so ein Fahrzeug wünscht?
Treinat: Für einen Händler ist das ein sehr aufwendiger Prozess, deshalb macht das außer uns keiner. Zum Ablauf: Der Kunde kauft über uns ein Neufahrzeug, etwa von Pössl oder Adria. Derzeit ist die Umrüstung nur für Mobile auf Citroën Jumper möglich. Das Fahrzeug wird zunächst zu uns nach Norddeutschland gebracht, wo wir es für die Allrad-Umrüstung vorbereiten. Dann geht es nach Frankreich ins Elsass zu Dangel. Wieder zurück bei uns stellen wir den Umbau des Fahrzeugs fertig.
Welche Vorbereitungen müssen Sie am Fahrzeug vor der Umrüstung vornehmen?
Treinat: Das Fahrzeug muss am Unterboden quasi komplett nackt sein. Weil für den Allradantrieb eine Kardanwelle von der Vorder- zur Hinterachse eingebaut wird, muss der mittig unter dem Fahrzeug montierte Abwassertank raus, ebenso Anbauten wie eine elektrische Trittstufe oder eine Ersatzradhalterung. Wenn das bei Dangel umgerüstete Fahrzeug wieder bei uns ist, schrauben wir die Teile wieder dran. Auf Wunsch fertigen wir auch einen neuen Abwassertank, der individuell für jedes Fahrzeug angepasst wird und maximal etwa 60 Liter fasst. Der Zusatzaufwand für die 4×4-Umrüstung beträgt für uns pro Fahrzeug etwa drei Werktage.
Mit welchen Kosten muss der Kunde rechnen?
Treinat: Je nach Konfiguration und Ausstattungsdetails belaufen sich die Kosten auf etwa 17.000 bis 22.000 Euro. Ein fertiger 4×4- Pössl liegt dann meist bei etwa 70.000 Euro. Das ist ohne Frage viel Geld, aber deutlich attraktiver als 4×4-Camper etwa auf Basis des Mercedes-Benz Sprinters. Wegen der hohen Nachfrage nach Campingfahrzeugen generell sind derzeit aber leider kaum Fahrzeuge verfügbar, für die wir eine Umrüstung anbieten können. Wir hoffen natürlich, dass sich das schon bald wieder ändert.
Wie sieht denn der typische 4×4-Kunde bei Ihnen aus?
Treinat: Wir haben eigentlich nur zwei Arten von Kunden: den hier aus dem Norden, quasi von um die Ecke, der mit seinem Fahrzeug zum Kiten oder Surfen fahren will. Und Kunden aus dem Süden Deutschlands, die auf uns aufmerksam geworden sind und den weiten Weg nicht scheuen. Der Ruhrpott-Kunde kauft bei uns kein Allrad-Mobil.
Wie sieht die 4×4-Zukunft bei Jumper, Ducato und Co. Ihrer Meinung nach aus?
Treinat: Derzeit ist eine Umrüstung nur für den Citroën Jumper möglich, weil die Ducato-Motoren nach der 4×4-Umrüstung nicht mehr die nötige Abgasnorm schaffen. Eventuell ändert sich das nächstes Jahr.
Im CamperVans-Test: Der Bürstner Campeo 4x4 mit Dangel-Allradantrieb
Mit dem ersten Allrad-Kastenwagen von Bürstner, dem Campeo c540 4×4 auf Citroën-Basis, ist CamperVans zum Praxistest im Winter über die Bergpässe Norditaliens gefahren. Wie sich der kompakte Van dort gemacht hat, lest ihr hier.