> Praxistest: Vanderer auf Peugeot e-Rifter

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03.02.2023
Bild & Text: Daniel Schlicke

Doch ein ordentlicher Minicamper muss mehr können. Vanderer war auf einem sehr guten Weg, bis die Mobilitätswende neue Hürden brachte.

Die Vanderer und ihren gleichnamigen Minicamper auf Citroën Berlingo XL hatten wir bereits zum Minimalismus-Spezial (CamperVans 03/2021) vor gut anderthalb Jahren ausprobiert. Damals war gerade die erste Serienversion fertig geworden, und die überraschte mit eigenem Aufstelldach und einem sehr schlüssigen Grundriss-Konzept. Der Minicamper sei absolut alltagstauglich, hieß es damals, und mit vier vollwertigen Schlafplätzen, viel Stauraum und der Möglichkeit, sich bei schlechtem Wetter auch mal aufrecht sitzend im Fahrzeug aufhalten zu können, schon etwas Besonderes.

Das Konzept Minicamper scheint zudem angebrachter denn je, denn ein kleineres Fahrzeug verbraucht weniger Rohstoffe und weniger Energie, produziert weniger CO₂ und irgendwann einmal auch weniger Müll. Damals hieß es aber auch, dass man zum großen Jahresurlaub doch einfach einen Wohnwagen anhängen könnte. Und da liegt die Crux, denn der 2023er Vanderer hat nur noch 750 statt 1.450 Kilogramm Anhängelast. Verantwortlich dafür ist die Elektrifizierung des Basisfahrzeugs.

Vanderers Minicamper auf Basis des elektrisch betriebenen Peugeot Rifter: Mit Aufstelldach und Livingroom-Modul für knapp 8.000 Euro wird der e-Rifter zum vollwertigen Campervan.

Stellantis soll laut Vorstand zu einem „Mobilitäts- und Technologieunternehmen“ umgebaut werden, bis 2030 will man dem Strategieplan „Dare Forward 2030“ nach in Europa nur noch batterieelektrisch angetriebene Fahrzeuge verkaufen. Seit dem zweiten Halbjahr 2021 betrifft das auch die Hochdachkombis aus dem Konzern. Der bis dato als Benziner oder Diesel erhältliche Peugeot Rifter bekommt mit dem „e“ auf der Heckklappe eine 136 PS starke Synchronmaschine in den Bug gepflanzt.

Von außen gefällt der kunststoffbeplankte Crossover-Look des Vanderers. Beim elektrifizierten Antrieb kommt die Plattform allerdings an ihre Grenzen.

Als Fahrzeugbasis bleibt es bei der Efficient Modular Platform 2 (EMP2) und auch beim langen Radstand, den Vanderer als Basis verwendet, steht lediglich ein 50-kWh-Akku zur Verfügung, der laut WLTP für bis zu 275 Kilometer Reichweite gut sein soll. In der Praxis, zwischen Stadt-, Landstraßen- und Autobahnfahrten, genehmigte sich der e-Vanderer jedoch eher 26 kWh. Trotz sanftem Rekuperieren gilt es also, sich spätestens nach 200 Kilometern – auf der Autobahn noch deutlich früher, obwohl wir die elektronisch auf 135 km/h limitierte Maximalgeschwindigkeit keinesfalls ausgereizt haben – eine Ladesäule zu suchen.

An der Haushaltssteckdose lädt der e-Rifter von Null auf 100 Prozent in 31 Stunden, mit einem optionalen Ladekabel und an einer verstärkten Steckdose dauert es noch knapp halb so lang. In der Praxis wird man mehrheitlich jedoch nicht am Ziel, sondern unterwegs laden, doch auch an 100-kW-Schnellladestationen steht man 30 Minuten, bis der SoC (State of Charge) ausgehend von Null 80 Prozent erreicht. Nach Testverbrauch lässt sich also Energie für 160 Kilometer Reichweite in einer halben Stunde nachtanken – andere Elektro-Pkws sind da deutlich fixer.

Moderner erster Eindruck: POIs und Fahrzeug-Status lassen sich im volldigitalen i-Cockpit mit unkomplizierter Menüführung sauber ablesen.

Trotz spürbar modernisiertem Digitalcockpit, das auf seinen 3-D-Karten Ladestationen anzeigt und sogar Campingplätze kennt: Peugeot gerät mit dem e-Rifter an die Grenzen der Fahrzeug-Plattform, die aus 2013 stammt und für Verbrenner konstruiert wurde. Ob sie als Basis für einen elektrisch angetriebenen Minicamper funktioniert, hängt neben der Nutzung also vor allem von den persönlichen Lademöglichkeiten ab. Wer in der Stadt auf öffentliche Ladepunkte angewiesen ist, muss irgendwann (meist nachts) umparken, denn hier wird eine Blockiergebühr fällig, sobald der Akku voll ist. Wohl dem, der zu Hause oder in der Arbeit laden kann. Oder dem, der einen gebrauchten Verbrenner à la Citroën Berlingo, Opel Combo, Toyota Proace City oder Peugeot Rifter ergattert, den Vanderer bei passenden Kapazitäten ebenfalls zum Minicamper ausbauen würde.

Bildergalerie

Viel getan hat sich am Ausbau seit 2021 nicht, doch der konnte den guten, ersten Eindruck definitiv bestätigen. Das zweischalige GfK-Aufstelldach im Elektro Minicamper kommt nun mit einem neu konstruierten Bettgestell, das über einen Lattenrost und zusätzliche Tellerfedern verfügt. Wer sich mit 183 Zentimetern Liegelänge arrangieren kann, schläft hier äußerst bequem. In der Breite misst die Matratze nur marginal weniger als in den meisten Campingbussen, das Dachbett dient also durchaus auch mal ein paar Nächte für zwei Erwachsene, etwa wenn unten teure Sportausrüstung transportiert wird. Eine Etage tiefer – hier auf 200 mal 118 Zentimetern – sorgt eine neun Zentimeter dicke Matratze für denselben Schlafkomfort. Das Puzzle aus mehreren Polstern fügt sich mit etwas Vorspannung, sodass keine störenden Spalte spürbar sind.

Vorteil gegenüber dem VW Caddy: Die Fenster im Fond und das der Heckklappe lassen sich öffnen, so zirkuliert die Luft beim Campen, selbst bei geschlossenem Dach.

Dem Testwagen fehlte es eher an einer Verdunklung für die vielen Fensterscheiben, die im Zubehör erhältlich wäre und für die nötige Privatsphäre sorgen würde. Das untere Bett baut auf dem optionalen Livingroom-Modul, dessen Grundriss nun gespiegelt angeboten wird. So bleibt in der Ecksitzgruppen-Situation ein Durchgang von der Heckklappe zur Schiebetür auf der Beifahrerseite frei, wo gegen Aufpreis eine Markise montiert würde. Wenn man den Dreh einmal raus hat, gelingt der Umbau zwischen Wohn- und Schlaf-Situation ganz leicht – und wenn es draußen Hunde und Katzen regnet auch, ohne dass man das Fahrzeug verlassen müsste.

Der Basispreis für den Peugeot e-Rifter Vanderer liegt bei 56.490 Euro.

Noch immer ziehen aber vor allem die großzügige Sitzmöglichkeit, der 180-Grad-Blick aus dem geöffneten Panorama-Zeltbalg und der 104 mal 76 Zentimeter große Tisch. Gekocht werden kann im Peugeot e-Rifter Vanderer – klassisch Minicamper – an einem Gaskocher im Heckauszug, aber auch im Fahrzeug. Hierfür steht ein Induktionskochfeld bereit, das dank serienmäßiger Ecoflow-Powerstation mit 105 Ah Kapazität und einem verklebten Solarpanel auf dem Aufstelldach auch abseits von Campingplätzen Wasser zum Kochen bringt.

Kaffeekochen auf dem Induktionskochfeld des Küchenmoduls.
Die Powerstation von Ecoflow hält die Kühlbox rund 24 Stunden lang am Leben, wird jedoch durch ein ebenfalls serienmäßiges Solarpanel unterstützt.

Die Powerstation versorgt außerdem die Kompressorkühlbox zwischen den Fahrerhaussitzen, zwei Lichtleisten, einen Deckenspot und massig (USB-)Steckdosen, verteilt über das gesamte Fahrzeug, mit Strom. Im Test kamen außerdem eine vollwertig bestückte Küchenbox, zweimal Bettzeug und Wechselklamotten sowie Vorräte für ein verlängertes Wochenende fein säuberlich in den Staufächern unter.

Eigentlich ist der Peugeot e-Rifter Vanderer also genau richtig groß dimensioniert. Mehr braucht’s nicht, um Alltag bewältigen und mal aus selbigem ausbrechen zu können. Außerdem bietet die Basis, gerade als Elektroauto, deutlich mehr Fahrsicherheit und -komfort als der nächstgrößere Peugeot Expert. Ziemlich viel Komfort geht durch den alternativen Antrieb aber auch wieder verloren: Es braucht schon die richtige, private Ladeinfrastruktur und Geduld beim Laden auf Langstrecken.

Doch Besserung ist in Sicht: 2024 bekommt der e-Rifter ein Facelift und damit mehr Reichweite. Und wenn sich der Dieselpreis bis dahin nochmals verdoppelt hat? Wer zuletzt lacht, lacht bekanntlich am besten. Abzüglich der Förderung für batterieelektrische Pkws (siehe Kasten) und ausstattungsbereinigt waren Diesel- und e-Vanderer bei den Anschaffungskosten übrigens nahezu gleichauf, kurz bevor Peugeot die Produktion des Verbrenners eingestellt hat. Ein echtes Schnäppchen ist ein so konsequent ausgebauter Minicamper wie der Vanderer aber auch nicht mehr.

Infobox

Basisfahrzeug: Peugeot Rifter L2 Allure, Elektromotor, Leistung 100 kW (136 PS), Drehmoment 260 Nm. Batterie 50 kWh, Reichweite 275 km (WLTP). Automatikgetriebe, Frontantrieb. Höchstgeschwindigkeit 135 km/h

Maße und Massen: (L x B x H) 475 x 184 x 188 cm; Radstand 297 cm; Masse in fahrbereitem Zustand: 1.968 kg (Herstellerangabe),

Zulässige Gesamtmasse: 2.320 kg

Aufbau: Stahlblechkarosserie mit GfK-Aufstelldach, werksmäßige Isolierverglasung

Betten: Möbel: 200 x 118 -107 cm, Aufstelldach: 183 x 107 cm
Füllmengen: Frisch-/Abwasser 12/12 l innenliegend; Kühlbox 14,5 l; Schraub-Gaskartuschen 230 g

Serienausstattung: (Auszug) Fünf gurtgesicherte Sitzplätze, Klimaanlage, Vanderer-Elektropaket mit 105-Ah-Lithium-Powerstation und Solarpanel, Aufstelldach mit Panorama-Zeltbalg und Komfortbett

Sonderausstattung: (Auszug) Metallic-Lackierung 1.199 €, Sitzheizung 300 €, Transport-Paket inkl. AHK 1.190 €, Assist-Paket B inkl. Keyless-System und Parkassistent, Cool&Freeze-Paket 895 €, Interieur Livingroom inkl. Möbel-Modul 7.790 €

Testverbrauch: 26,2 kWh

Grundpreis: 56.490 € (ggf. abzüglich gesetzlicher Förderung)
Testwagen: 71.379 €

www.vanderer.eu

FÖRDERUNG VOM GESETZGEBER
Seit 01.01.2023 wird der Kauf eines batterieelektrischen Pkw mit einem Netto-Listenpreis von unter 40.000 Euro mit 4.500 Euro plus länderspezifischer Förderung (BW 1.000 Euro) und CO₂-Zertifikat im Wert von rund 500 Euro gefördert. Fahrzeuge, die zwischen 40.000 und 65.000 Euro kosten, werden mit 3.000 bezuschusst. Ab 2024 gilt die Prämie nur noch für Pkw bis maximal 45.000 Euro netto, sie beträgt dann noch 3.000 Euro.

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