Wenn der kleinere Bruder von allen geliebt wird, hat es das größere Kind nicht immer ganz leicht. So oder zumindest so ähnlich muss es dem LT gegangen sein, der ab 1975 an die Erfolge des VW Transporters anknüpfen sollte. Keine leichte Aufgabe, denn bis zum Marktstart des LT vor 50 Jahren wurden bereits über 3,5 Millionen Bullis der ersten und zweiten Generation verkauft.
1975, sachlich & solide: VW LT1
Trotzdem schaffte es das Modell unterhalb der schweren Lkw, aber oberhalb des VW-Busses zum Kassenschlager mit bis zu 40 Prozent Marktanteil im Segment der leichten Nutzfahrzeuge. Grund dafür war sicherlich, dass VW auch den LT gleich zu Beginn in zwei Radständen und zwei Dachvarianten anbot. Lieferbar war er außerdem als Kasten, Kombi, Bus, Pritsche, Doka und als Fahrgestell mit Fahrerhaus – Modellvielfalt, die schon dem Bulli zum Erfolg verhalf. Bei der Namensfindung blieb man, ganz typisch für VW, kühl und sachlich: Aus dem großen Transporter für schwere Lasten wurde schlicht der Lasten-Transporter, der LT. Aus den angehängten Bezeichnungen 28, 30 und 35 konnte das zul. Gesamtgewicht von 2,8, 3,0 oder 3,5 Tonnen entnommen werden.
Wenig Verkehrs-, viel Nutzfläche
Verbessern sollte sich der LT gegenüber dem T2 mit Heckmotor vor allem im Verhältnis von Verkehrs- und Nutzfläche. Dazu wurde ein Fahrzeug mit platzsparender Frontlenker-Bauweise des Transporters und einem Frontmotor konzipiert, der zwischen den Frontsitzen oberhalb der Vorderachse platziert wurde. Der Antrieb erfolgte weiterhin über die Hinterachse. Ohne den Motor im Heck standen der gesamte Laderaum, rund 7,85 Kubikmeter, und über 50 Prozent mehr Ladevolumen gegenüber dem T2 zur Verfügung. Und doch blieb der LT kompakt: Im Vergleich zum T2 wuchs der LT mit kurzem Radstand um nur 33 Zentimeter in der Länge und 20 Zentimeter in der Breite. Tatsächlich war er mit 4,86 Metern Länge kürzer als ein moderner T6.1.
Vorreiter in Sachen Ergonomie
Auch in Sachen Ergonomie war der LT fortschrittlich: Zusammen mit Arbeitswissenschaftlern wurde das Cockpit von den Bedienelementen bis zu den extra großen Außenspiegeln entwickelt. Für mehr Fahrkomfort sorgte die Einzelradaufhängung an der Vorderachse. Den Antrieb übernahmen zu Beginn wahlweise ein 2,0-Liter-Benzinmotor aus dem Audi 100, der auf 75 PS gedrosselt und an den Betrieb in einem Nutzfahrzeug angepasst wurde oder ein 2,7-Liter-Diesel mit 65 PS – beide, anders als beim Bulli, wassergekühlt.
1996, ein heimlicher Star: VW LT2
Nach 21 Jahren und über 470.000 Einheiten endete 1996 die Ära des ersten Lastentransporters. Nach dem Wechsel vom T3 zum T4 bedeutete die Umstellung auf den LT2 ein neues Zeitalter für VW, weg von der Frontlenker-Bauweise und hin zum Kurzhauber. Seine Entwicklung erfolgte in Kooperation mit Mercedes-Benz. Der LT2 war das erste neue Fahrzeug, das von der 1995 neu gegründeten Marke Volkswagen Nutzfahrzeuge (VWN) mit Sitz in Hannover vorgestellt wurde.
Die Dieselaggregate wurden nun längs unter einer kurzen Haube eingebaut. Dafür wurde der Einstieg niedriger und breiter und natürlich auch der Durchgang in den Laderaum bequemer.
Mit einem dritten verfügbaren Radstand wuchs der LT auf bis zu 6,80 Meter Länge, das zulässige Gesamtgewicht auf bis zu 4,6 Tonnen. Die Fertigung im Werk Hannover-Stöcken endete 2006 nach fast 340.000 Fahrzeugen.
2006, der Kraftprotz: VW Crafter
Basierend auf dem Grundkonzept des Vorgängers kam 2006 der Crafter auf den Markt. Technisch handelt es sich um eine vollständige Neuentwicklung, die wieder die Ingenieure von Mercedes-Benz übernehmen. Die eigenständige Front-Optik nennt VW „Truck-Design“. Sie soll Kraft vermitteln. Dies verdeutlichte auch der neue Name: Crafter stand und steht für einen dynamischen Helfer im Arbeitsalltag, für „einen, der mit anpackt“.
2012 erinnert man sich bei Volkswagen Nutzfahrzeuge an einen Marketing-Stunt aus den späten 1980er-Jahren. Damals hatte ein LT mit zuschaltbarem Allradantrieb an der berühmten Rallye Paris-Dakar teilgenommen. Als Begleitfahrzeug sollte sich dort auch die neueste Variante des Crafter beweisen – ein 4Motion mit Achleitner-Allrad, der in der Vollausstattung mit bis zu drei
Sperren ausgestattet und höhergelegt war, Offroad-Reifen sowie einen kompletten Unterfahrschutz hatte. Wie viele Exemplare zum Kunden finden, ist nicht bekannt. Trotzdem: Insgesamt über 480.000 verkaufte Einheiten (Kastenwagen, Kombi, Bus, Pritsche, Doppelkabine und Fahrgestell) sprechen für den Erfolg auch dieser dritten Generation.
2016, voll automotiv: VW Crafter 2
Der Crafter der zweiten Generation wird 2016 präsentiert. Er ist ein von Grund auf und wieder in Eigenregie entwickeltes Fahrzeug, für das sogar ein eigenes neues Werk im polnischen Września gebaut wurde.
Bei der Neuentwicklung bezieht der Hersteller die Kunden ein: Intensiv wie nie zuvor werden sie zu ihren Bedürfnissen und Ideen befragt. pezialisten aus Hannover begleiteten vielfach die Fahrer und Fahrerinnen in ihrem Alltag und befragten sie direkt an ihrem Arbeitsplatz nach ihren Wünschen. Neben den verschiedenen Aufbauten gab es den Crafter nun auch erstmalig mit Front-, Heck- oder Allradantrieb. Mit einem Pkw-ähnlichen Fahrverhalten und einer noch nie dagewesenen Vielzahl an Sicherheits- und Fahrerassistenzsystemen wurde der neue Crafter zum Benchmark
im Segment. Bis zu 5,5 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht, ein Ladevolumen bis zu 18,4 Kubikmeter und eine große Vielzahl Antriebe und Derivate bieten individuelle Lösungen für alle Nutzungsbereiche – auch für Camper. Ab 2017 ist mit dem Gran California, wie damals der Florida auf VW LT 1, wieder ein größerer Campervan direkt über VW bestellbar.
Frisches Cockpit, stabile Preise
Seit dem Facelift in 2024 ist der Crafter serienmäßig mit digitalen Instrumenten erhältlich: dem sogenannten ‚Digital Cockpit‘. Das prägende Interieur-Detail misst 10,3 und optional 12,9 Zoll und ist optisch freistehend angeordnet. Auch die grafische Oberfläche wurde neu angeordnet. Darüber hinaus erhielt der Crafter eine neue Online-Sprachsteuerung zahlreicher Fahrzeugfunktionen mit „ChatGPT“-Integration, die auf natürliche Sprachbefehle reagiert.
Neu gestaltet wurden die Handbremse und der Schalter des Automatikgetriebes sowie die Bedienelemente der Lichtfunktionen, die Tasten im Bereich der Mittelkonsole sowie sämtliche Luftausströmer. Das Spektrum der neuen serienmäßigen und optionalen Assistenzsysteme hebt die erfolgreiche Crafter Baureihe auf ein neues Level. Trotz umfangreicherer Sicherheitsausstattung und mehr Komfort-Features, die den Berufsalltag im neuen Crafter erleichtern, liegen die Preise auf dem Niveau des Vorgängermodells. Bis Ende 2024 wurden vom neuen Crafter bereits fast 500.000 Einheiten produziert. Die Redaktion wünscht: Happy Birthday!