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Bulli-Felgen: Legendäres Leichtmetall

29.09.2024
Text: Bernd Bohle | Bild: Bernd Bohle, My Bus Parts, VWN

Wer etwas auf sich und seinen Bulli hält, der individualisiert ihn mit zeitgenössischem Schuhwerk – das war schon immer so. Die Szene treibt es bunt, ästhetisch und vor allem stilsicher – teils mit echten Charakteren mit internationaler Tragweite.

Die Details eines schnell rotierenden Körpers vermag das menschliche Auge kaum zu vernehmen, die eines ruhenden schon – insbesondere wenn er sich gleich in vierfacher Ausführung an einem Bulli befindet. Und wenn das Augenpaar einem geneigten Enthusiasten gehört! Die Rede ist von Felgen. Genauer gesagt von solchen, die in der Bulli-Szene seit Jahren besonderen Anklang finden. Während moderne Bus-Modelle zwar ebenfalls recht ansehnliche Exemplare dieser Art auf dem Asphalt-Boulevard präsentieren, lassen sich besonders an den ersten vier Bulli-Generationen echte Charaktere mit internationaler Tragweite ausmachen.

Wie groß die Sympathie für etwas ist, lässt sich immer auch daran erkennen, dass ein Spitz- oder Kosename zum festen Synonym geworden ist. Zu Grunde liegt diesem Verhalten eine tief in uns verankerte Angewohnheit, in Dingen und Mustern vermeintliche Gesichter sowie vertraute Wesen oder Gegenstände zu erkennen – in der Wissenschaft wird das Phänomen Pareidolie genannt. Es ist dieser Umstand, der den Aufstieg einiger Felgen in den Kult-Olymp besiegelte – höchste Zeit also, anhand einiger Beispiele aufzudecken, wie es dazu kam und an welchen Transporter-Generationen diese bevorzugt zu finden sind.

Kultige Felgen für den Bulli

Lecker anzuschauen, hier glanzgedreht mit in Kontrastfarbe lackiertem Felgenbett: ATIWEs Käselochfelge.
Foto: Bernd Bohle

Die Käseloch-Felge

Ein Prunkstück, das sich nicht nur unter den Bus-Freaks einen Namen gemacht hat, ist die sogenannte Käseloch-Felge. Der Hersteller – die 1960 zunächst als Importeur für Echtholz- Lenkräder gegründete Firma ATIWE, das übrigens für Manfred Heinz Auto Technik Industrie Wetzlar steht – begann bereits 1967 mit dem Verkauf von Leichtmetallfelgen in Deutschland. Zehn Jahre später wurde dann das neue, löchrige Aluminiumrad in den einschlägigen Fachzeitschriften als Neuheit für rund 170 DM das Stück angepriesen.

Zu dieser Zeit fertigte man die Felge noch in Zusammenarbeit mit der nicht minder bekannten Leichtmetallgießerei Gebrüder Borbet aus Altena. 1979, mit dem Produktionsstart von Leichtmetallfelgen in eigener Gießerei, ging es dann steil Bergauf mit den Radkränzen aus Wetzlar, die auch an Autos von Mercedes, BMW, Opel, Porsche und eben Volkswagen zum Einsatz kamen.

Lange mussten auch die Bullifahrer nicht warten. Schon Anfang der 80er-Jahre war die im Niederdruck-Kokillengießverfahren hergestellte Felge für den VW-Bus direkt bei der V.A.G. käuflich zu erwerben und schaffte es als Typ 71523A auf der Caravelle Carat (T3), 1983 sogar in die Serienausstattung.

Was die Formgestaltung anbelangt, sprach man bei diesem Kultobjekt offiziell schlicht vom „Lochdesign“, das sich in zwölf gleichgroße, kreisförmig angeordnete Bohrungen zeigte. Das Lochscheibenrad war in den Farben Silber, Gold oder Bronze zu bekommen und weckte nicht nur Begehrlichkeiten, sondern auch Assoziationen beim Betrachter. So kamen die Wählscheibe eines Telefons und der geöffnete Käselaib eines Schweizer Käses in den Sinn. Letztere Eingebung konnte sich schließlich durchsetzen – die „Käseloch-Felge“ ist im einschlägigen Sprachgebrauch bis heute ein fester Begriff.

Hatte man diesen Dauerbrenner 2015 sogar im Classic-Programm wiederbelebt, verließ ATIWE 2019 als Firmierung die rollende Bühne. Das Vermächtnis jedoch bleibt: ein Klassiker, der durch seine große Fangemeinde noch lange an frühen Bussen weilen wird. Also dann: „Zieht den Hartkäse fest, wir cruisen in den Sonnen- untergang!

Für viele Bus-Besitzer der Schlüssel zum Glück: die Schlüssellochfelge, noch ein Klassiker von ATIWE.
Foto: My Bus Parts

Die Schlüsselloch-Felge

Ein weiterer Geniestreich aus dem Hause ATIWE war die Schlüsselloch-Felge. 1985 der Presse mit den Worten „Abschließbare Aluminiumräder in einem völlig neuen Design für qualitätsbewusste Individualisten“ zugespielt, öffnete dieses außergewöhnliche Produkt mit verschließbarer Kappe schnell die Herzen der Auto-Fans.

Zunächst für BMW, Mercedes und Porsche vorgesehen, konnten schon bald auch der Golf und einige Flitzer von Mazda mit dem neuen Raddesign bestückt werden. Erhältlich waren die Versionen Schwarz/poliert sowie Silber/poliert ab 535 DM pro Rad. 1987 entschieden sich dann auch die Designer bei VW für das Schmuckstück – als Mehrausstattung beim Sondermodell Tristar. Wohlgemerkt fünf Kompletträder erhielt man zum Aufpreis von 3.470 DM.

Die Verwendung als Originalteil ist immer ein Umstand, der eine Felge zu einer gesuchten Komponente macht – so auch bei der Typ U7620. Hier wollte die Steinerstuff GmbH aus Österreich ansetzen. 2014 brachte man unter dem Namen Keyhole P1 für 399 Euro das Stück eine eigene Version auf den Markt – allerdings ohne Gutachten.

Leider war damit nach wenigen Jahren wieder Schluss. Mit den 24 schlüssellochartigen, kreisförmig angeordneten Aussparungen lag der Spitzname natürlich auf der Hand. Vielleicht trug bei der Schlüsselloch-Felge auch die Diebstahlsicherung ihren Teil dazu bei, nicht per Typenbezeichnung bekannt geworden zu sein.

Gut, dass man mit dem Schlüssel für den Nabendeckel und den der Radmuttern einzig zwei Schlüssel anstatt der offensichtlich angedeuteten 24 braucht, um diesen Klassiker an den Bulli zu schrauben.

Die Penta-Felge

Ein Hauch von Mystik umgibt eine andere im Niederdruck-Gussverfahren hergestellte Leichtmetallfelge. Das „AMG 5-Speichen-Rad“, umgangssprachlich als Penta-Felge bezeichnet, entstand im Kosmos des Tuning- Unternehmens AMG.

Das „AMG 5-Speichen-Rad“ war das erste Aluminium-Leichtmetallrad, das AMG Anfang der 80er-Jahre vermarktete. Hergestellt wurde es von ATS (Auto Technisches Spezialzubehör), einem seit 1965 agierendenUnternehmen und echten Vorreiter, was die Herstellung von Aluminiumrädern anbelangt. Das Design der Felgen erfreute sich so großer Beliebtheit, dass Produzenten wie Ronal mit der R9 ähnliche Räder auf den Markt brachten.

Mitte der 80er-Jahre kam zudem die Firma Rimstock Ltd. aus Großbritannien mit hinzu. Ihre Felge P1680 bzw. P1690, im leicht modifizierten AMG-Design, die hier in Deutschland durch Ritter Wheels vertrieben wurde, trug tatsächlich den Namen Penta, der sogar auf dem Rad selbst zu lesen war.

Wie das Himmel-und-Hölle-Spiel, aber für Erwachsene Kfz- Enthusiasten: Räder im Penta-Style, hier in mattiertem Gold.
Foto: Bernd Bohle

Bulli-Besitzer bedienten sich aufgrund der ungenügenden Traglast einiger Mitbewerber und der Originale neben einer busfreundlichen R9-Version auch an den stilgleichen Felgen von ARC (eine Marke der Rial Leichtmetallfelgen GmbH) oder jüngst der Schweizer Maxilite AG. AMG selbst ging 1990 den ersten Kooperationsvertrag mit der Daimler-Benz AG ein und wurde 2005 komplett in den Konzern eingegliedert. Die Tuner aus Großaspach hinterlassen den Automobilisten ein Design-Meisterstück, dessen Spitzname sich zum einen aus der Bezeichnung der britischen Version und zum anderen aus der einem Pentagramm gleichenden 5-Speichen-Form des Rades speist.

Der fünfzackige Stern, der gemeinhin als Zeichen der Satanisten gilt, war übrigens in der frühchristlichen Ikonographie ein Symbol für die fünf Wunden Christi und wurde durch die Kirche selbst aufgrund seiner Konkurrenz zum Kreuz letztendlich zum Symbol des Höllenfürsten degradiert – so wird mit der Penta-Felge jeder Bullifahrer zum Ghost-Rider!

Der Gullideckel

Ziemlich auffällige Alu-Felgen waren auch die sogenannten „Gullideckel“ am Transporter der vierten Generation. Grundsätzlich verbaute Volkswagen in der Grundausstattung nur Stahlfelgen, doch wie schon beim T3 erhielten diverse Sondermodelle einen Bonus in Form von serienmäßigen Leichtmetallfelgen.

1991 bekam das eigenwillige „Scheibenrad Alu“, wie VW in seiner Nomenklatur die Leichtmetallfelgen aus dem eigenen Sortiment bezeichnete, seinen Auftritt am Multivan. 1992 folgte der Multivan Allstar, ein Jahr später der Multivan Classic.

Mit der Caravelle von 1995 rollte das in einem Stück gegossene Teil 701 601 025 mit seinen fünf im äußeren Kreis befindlichen, gebogenen und abgerundeten Rechtecken zu seinem letzten Auftritt. Noch stehen aufgearbeitete Originale für den Liebhaber dieser Kult-Felge, die an einfache Gullideckel auf dem Dorf erinnern, bereit und bewahren, wie auch das Trägerfahrzeug, den Geist der 90er-Jahre.

Aus Alu, nicht aus Guss und gewiss kein Alteisen: Die Gullideckel-Felge, ebenfalls glanzgedreht und mit lackiertem Bett.
Foto: VWN
Felgen gut - alles gut. Keep it rolling...
Foto: Bernd Bohle
Was dem Porsche steht, ist gerade gut genug für den Bulli: die Fuchs-Felge im Flügelrad-Design, hier teilpoliert.
Foto: Bernd Bohle

Die Fuchs-Felge

Aus der Schmiede der Otto Fuchs KG stammt der heilige Gral unter den Rädern, der im allgemeinen Sprachgebrauch als „Fuchs-Felge“ die Runde machte. Im Grunde genommen eine Bezeichnung, die für alle Felgen aus dem Hause gelten sollte, sich aber kollektiv nur für jenes im Design eines Windmühlen-Flügelrads aus dem Portfolio durchsetzte.

Im Gegensatz zu den bisher genannten eine Ausnahme, da außer im Logo des Unternehmens kein Fuchs in der Form ersichtlich ist. Ein weiterer Unterschied bestand darin, dass dieses Produkt geschmiedet, also nach dem Erhitzen in großen mechanischen Pressen in seine Endform gedrückt wurde.

Der Auftrag für das Leichtmetallrad kam von Porsche und so war es neben dem als Design-Urheber geltenden Heinrich Klie auch sein Chef Ferdinand Alexander Porsche, der am letzten Schliff mitwirkte, bevor es 1965 mit dem 911 Targa auf der IAA in Frankfurt Premiere feierte. Von da an war das Flügelrad ein begehrtes Extra für die restlichen 911er und wuchs zu einer echten Stilikone heran, die in weiteren Größen auch von Fahrern anderer Automodelle euphorisch angenommen wurde.

 

Die Transporter von VW hatten, was die Originale anbelangt, größtenteils wieder das Nachsehen. Was am T1 aufgrund seines geringeren Gewichts noch möglich war, gestaltete sich bei den Folgemodellen ein wenig schwieriger. Zwar gab es Hintertürchen, doch das Aufatmen war groß, als stilgleiche Typen auftauchten, die speziell für diese Zielgruppe, etwa von der Schweizer Maxilite AG, hergestellt wurden. Ein echter Rad-Mythos, der besonders unter Fahrern der ersten beiden Bus-Generationen als das Nonplusultra gilt und bei dem sich nicht das Bild einer Windmühle im Kopf manifestiert, sondern stets ein prächtiger Rotfuchs seine Bahnen durch den Neokortex zieht.

Was haben Rennautos und Bullis gemein? Beiden stehen feine Kreuzspeichen von BBS ganz hervorragend, zumal in Gold/poliert.
Foto: Bernd Bohle

Die BBS Kreuzspeiche

Eine bildhafte Runde also, die sich da unter dem Bulli dreht. Doch was ist mit den Kultfelgen, bei denen die Vorstellungskraft versagt? Ganz einfach: Hier steht der Firmenname als Synonym für das Produkt selbst. Ein Phänomen, das in der Markenwelt immer wieder vorkommt, von Werkzeug bis hin zu Taschentüchern.

Auch bei BBS ist das durchaus zutreffend. BBS, das eine Kurzform für die Gründer Baumgartner, Brand und den Standort Schiltach darstellt, wurde 1970 mit Rennsporthintergrund zum Unternehmen und brach Anfang der 80er-Jahre unter den Privattunern mit dem RS-Rad eine wahre Lawine der Begeisterung los. Wer BBS hört, denkt sofort an den edlen Look und per Baukastensystem zusammengesetzten, legendären Kreuzspeichen-Design, das 1989 unter der Typenbezeichnung RA 257/259 auch für den T3 erhältlich war.

Ein Hauch von American All Terrain Van.
Foto: Bernd Bohle

Mangels Chromstahl-Felgen

Zu guter Letzt finden sich die Chromstahl-Felgen von Mangels in diesem Phänomen wieder. Was 1928 durch Max Mangels und Familie in São Paulo mit der Produktion von Eimern seinen Ursprung nahm, setzte 1958 mit dem Beginn der Herstellung von Stahlrädern eine internationale Marke.

Ob in der Variante Triangular oder Modular, die hochglänzenden Brasilianer mit tief nach innen gewölbtem Felgenstern aus dem Vertrieb der Berger GmbH verliehen Bullis ab den späten 80ern einen Hauch amerikanischer Vans.

Vom Eimer zur tief geschüsselten Chromfelge: Die Mangels liefert eine markante Optik, made in Brazil.
Foto: Bernd Bohle

Borbet A-Rad

Der Gruppe zugehörig können sich auch recht eigenwillige Alus aus Altena fühlen. 1881 legte Gustav Borbet mit einer Messinggießerei den Grundstein für ein erfolgreiches Aluguss-Unternehmen, das 1977 mit der Fertigung von Leichtmetallrädern begann und ab 1987 das legendäre Borbet A-Rad produzierte.

Ursprünglich auch für den T3 gefertigt, hat sich das 5-Speichen-Design, welches sich zur Mitte hin in eine konvexe, polyedrische Sternform vertieft, mit seinem fünfeckigen Nabendeckel zu einem weiteren Liebling in der Fahrergemeinde entwickelt.

Stattlicher Auftritt: Borbets geometrisches Formenspiel in silbernem Seidenglanz
Foto: Bernd Bohle

Hier soll der Blick auf die besonderen Klassiker unter den VW-Bus-Felgen enden. Klassiker mit Seele, die sich – so lange es noch klassische VW-Busse gibt – nie der Straße entziehen werden. Zum Glück, denn so bleibt uns dieser visuell ansprechende Kreislauf des Erlebens noch lange erhalten. In diesem Sinne: Let it roll!

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