Schottland, das Land der Mythen und Legenden, ist ein ideales Reiseziel für Camper. In den Weiten des tiefergelegenen Flachlands im Süden und Südosten Schottlands, den Lowlands, sowie den rauen, gebirgigen Highlands, fühlt man sich der Natur auf eine besondere Weise verbunden.
Auf dem Weg vom Harry-Potter-Viadukt nach Mallaig (Roadtrip Schottland Teil 1) stoppen wir an den Ufern des Loch Morar. Es ist 19 Kilometer lang und soll mit über 310 Metern Tiefe Europas tiefster Südwassersee sein. Wir ärgern uns, dass wir unser Kanu nicht dabeihaben – erst später erfahren wir, dass es eine Vermietung vor Ort gegeben hätte. Aber vielleicht war es auch besser so: Das Seeungeheuer Morag soll hier sein Unwesen treiben. Vom Loch Morar fließt der kürzeste Fluss der Britischen Inseln ins Meer: der Scavaig, ganze 500 Meter kurz.
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Weniger Regen, weniger Midges (die winzigen, beißenden Mücken der Highlands), weniger Touristen: Mai, Juni gelten als perfekte Monate für eine Schottland-Reise. Zudem kann man jetzt die sagenhafte Blütenpracht des Rhododendrons erleben. Aber auch der September lockt mit angenehmen Wetter und noch akzeptablen Temperaturen. Wir waren im August unterwegs – und mit uns verhältnismäßig viele Touristen. Die man wiederum aber nur an den touristischen Hotspots getroffen hat. In den Highlands waren wir über viele Kilometer häufig das einzige Fahrzeug.
Der Osten Schottlands gilt als eher kühl und trocken – einige Orte hier haben weniger Niederschlag als Rom! Der Westen steht im Einfluss des Golfstrom. Hier ist es vergleichsweise warm und feucht. Grundsätzlich gilt aber: Das Wetter wechselt im Osten wie im Westen teils im Minutentakt. Vernünftige Regenkleidung und ein warmer Pulli gehören immer in den Rucksack.
Willkommen in Mallaig: Der nordwestlich gelegene Fährhafen gefällt uns sehr viel besser als das Getümmel am Viadukt. Obwohl recht beschaulich, gilt er als einer der weltgrößten Umschlagplätze für Hummer und Krabben. Von hier starten Fähren zu bekannten Destinationen, wie beispielsweise der Isle of Skye – aber auch zu kleinen, weniger bekannten Inseln, wie den Small Isles Rum, Eigg, Muck und Canna. In der Hauptsaison sollte man für eine Überfahrt nach Skye zwei, drei Tage im Voraus ein Ticket sichern, für eine Überfahrt zu den Small-Islands zumindest frühzeitig vor Abfahrt.
Wir lassen unseren Camper im Hafen von Mallaig stehen und schiffen uns nach Rum ein, auf die größte der Small Isles. Die etwa einstündige Überfahrt für drei Personen mit Fahrrad und Hund kostet uns keine 20 Euro, der Tagesausflug ist jeden Euro wert ist. Wale begleiten kurzfristig unsere kleine Fähre, die kaum besiedelte Insel lädt zu kleinen Wanderungen, oder wie in unserem Fall, einer kleinen Tour mit den Mountainbikes ein.
Mallaig und Isle of Rum
Einige Küstenorte bieten interessante Bootsausflüge an. An zahlreichen Locations lassen sich Wale, Delfine, Seevögel und Robben beobachten. Hierfür muss man in der Hauptsaison unbedingt schon einige Tage im Voraus buchen. Wer im Frühjahr unterwegs ist, hat beispielsweise auf der Insel Handa die Chance, Orcas und Puffins, die überaus possierlichen Papageientaucher, zu beobachten.
Nach unserer Rückkehr von Rum besuchen wir in Mallaig ein nettes Restaurant mit gemütlicher Terrasse und genehmigen uns vorzügliche Fish & Chips, ebenso exzellenten schwarzen Tee – und, natürlich, ein grandioses schottisches Bier. Vor unseren Augen betteln in der tief stehenden Abendsonne mehrere Robben im Hafenbecken um die Abfälle der Fischer.
Isle of Skye
Eine Überfahrt zur Isle of Skye ergattern wir in Mallaig hingegen nicht. Alle Fähren sind ausgebucht. Also nehmen wir den Weg über Land, der etwas mehr Zeit in Anspruch nimmt, sich aber aufgrund der Schönheit der Strecke definitiv lohnt. Auf der Überlandfahrt zur Isle besuchen wir das Castle Eilean Donan, nur 13 Kilometer vor der Brücke auf die Isle. Es ist weltbekannt aus Filmen wie „Highlander“ mit Christopher Lambert oder James Bond „Skyfall.“ Auch hier gilt: Möglichst frühmorgens besuchen – ansonsten drohen in der Hauptsaison gewaltige Touristenmassen.
Die Isle of Skye stellt sich als mächtiger Touristenmagnet heraus. Landschaftlich bezaubernd, in der Hauptsaison aber gut besucht. Wir statten der Whisky-Destillerie Talisker einen (absolut lohnenden) Besuch ab, übernachten am Loch Brittle auf dem einfachen, bei Wanderern und Outdoor-Sportlern sehr beliebten Camping Glenbrittle. Hier kommt ein wenig Island-Feeling auf.
In den berühmten Fairy-Pools, nur wenige Kilometer vom Camping entfernt, baden, so sagt es die Legende, die Feen. Die traumhaften Wasserfälle liegen nur einen kurzen Walk von der Straße entfernt. Der Aufstieg ist problemlos, wenn auch meist matschig. Die Begleitung der Midges ist lästig, man sollte mit Mittelchen und/oder Kopfschutz darauf vorbereitet sein.
Whisky
Whisky-Liebhaber kommen in Schottland voll auf Ihre Kosten. Über 120 Destillerien sind aktuell gelistet. Prominente Namen wie Glenfiddich, Talisker, Glengoyne, Glenlivet oder Glenmorangie stehen für eine lange Historie weltbekannter Destillerien. Whisky, gebranntes Bier, „uisege beatha“, wurde 1494 erstmals schriftlich erwähnt.
Fast alles Destillerien bieten Rundgänge und Verkostungen an. Zumindest eine Destillerie sollte man besuchen – selbst wenn man kein Freund von Hochprozentigem ist. Die großen Braukessel, die Aromen in der Luft und die Geschichten rund um den Brauprozess sind überaus faszinierend.
Die Geschichte Schottlands
Werfen wir einen Blick auf die interessante, geologische Seite von Schottland. Der schottische Urkontinent war nie mit England verbunden. Die Landmassen trafen sich erst vor etwa 425 bis 320 Millionen Jahren. In geologischen Zeitfenstern betrachtet, somit (fast) in jüngster Vergangenheit. Resultat der Kollision: die Highlands und Southern Umlands wurden aufgeschoben. Somit ist Schottland zumindest geologisch, seit jeher unabhängig von England. Von diesem Blickwinkel aus betrachtet könnten schottische Separatisten durchaus schon einmal die Unabhängigkeit ausrufen.
Tatsächlich war Englands Einfluss über Jahrhunderte prägend für Schottland – man könnte es auch so ausdrücken: England ist das Schicksal Schottlands. Wie auch immer man sich als Tourist der Geschichte Schottlands nähern möchte, ein Blick auf die Lichtgestalten Schottlands lohnt unbedingt.
Schottlands Vergangenheit ist angefüllt von klangvollen Namen wie denen der Freiheitskämpfer William Wallace oder Rob Roy, der tragischen Figur Maria Stuarts, auch Mary Queen of Scotland genannt. Sie alle spiegeln die turbulente Geschichte Schottlands wieder – und den jahrhundertelangen Versuch, sich von England zu emanzipieren. Es lohnt sich auf jeden Fall, ein wenig in die Geschichte des Landes einzutauchen.
Tipp: das National Wallace Monument in Sterling. Von hier hat man einen großartigen Blick auf die Brücke über den Forth, in deren Nähe William Wallace 1297 die zahlenmäßig weit unterlegenen Schotten gegen die Engländer führte und ihnen eine verheerende Niederlage beibrachte.
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Reiseliteratur zu Schottland findet man in Hülle und Fülle. Wir hatten im Gepäck: BaedekerSmart „Schottland“, „Top10 von Schottland“ vom Dorlingkinderlsley Verlag und „Schottland“ vom Michael Müller-Verlag. Als relativ wertlos, stellt sich, trotz brauchbarer Straßenkarte, der Baedeker-Reiseführer heraus. Infos zu in Bildern und dargestellten Tipps suchen man regelmäßig erfolglos, das Buch macht keinen wirklich logisch strukturierten Eindruck. Für 15,95 Euro zu wenig Praxiswert. Der ist auch in den Top10-Tipps von Dorlingkindersley eher mäßig, wobei eine ordentliche Übersichtskarte von Schottland, ein virtueller Sprachführer und ein kleiner Stadtplan von Edinburgh durchaus hilfreich sind. Der Preis von 12,99 Euro geht somit okay.
Wirklich hilfreich, informativ und gut strukturiert präsentiert sich der Schottland-Führer von Andreas Neumeier aus dem Michael Müller-Verlag. Wenig Bilder, aber auf über 800 Seiten geballte Informationen satt. Plus eine gute Übersichtskarte, die das gute Bild vervollständigt.
Ein Tipp von anderen Reisemobilisten, die wir auf unserer Tour trafen: Sie hatten den Schottland-Reiseführer von Lonely Planet im Gepäck. Insbesondere, wenn man gerne einige Tipps zu alternativen Highlights abseits der ausgetretenen Touristenpfade wünscht.
Unterhaltsamer Lesestoff für eine Schottland-Reise: Wer eine amüsante Mischung aus Reiseführer und unterhaltsamer Reiselektüre sucht, sollte sich unbedingt den „Fettnäpfchenführer Schottland“ von Ulrike Köhler einpacken. Erschienen im Conbook-Verlag.
Highland Games
Etwas Frustrierendes zum Schluss: Wir haben die schottischen Highland-Games verpasst. Ein kleines Desaster. Denn jeder Schottlandreisende sollte dieses kuriose Sportspektakel, das fester Bestandteil der schottischen Kultur ist, unbedingt besuchen. Zwischen Mai und September finden im einigen Orten in ganz Schottland diese sportlichen Wettbewerbe statt, bei denen sich kräftige Männer beispielsweise im Baustammweit-, Gewichthoch- oder Gewichtweitwurf üben. Beim Highland Dancing zeigen (zumeist) junge Frauen in mehreren Disziplinen zum Klang des Dudelsacks künstlerisch sowie sportlich hoch anspruchsvolle Tänze in mehreren Disziplinen.
Damit es Ihnen nicht wie uns ergeht, finden Sie einen Internet-Link zu einer Terminübersicht im Infokasten Top-Tipps. In diesem Sinne: Entdecken Sie Schottland, wir können dieses herrliche Reiseziel nur wärmstens empfehlen. Wir besuchen Schottland in naher Zukunft ganz sicher nochmals – allein schon, um einmal die Highland Games zu sehen.
Top-Tipps und Routenempfehlungen
Diese Routen laden zu interessanten und lehrreichen Roadtrips mit dem Reisemobil ein:
- Argyll Coastal Route: …von Tarbet am Loch Lomond nach Ford William. Hier kommen Freunde von Sea-Food ebenso auf ihre Kosten wie Geschichtsliebhaber. Entdecken Sie die Historie des Königreichs Dalraida in Kilmartin und den Wechsel ungleicher, aber faszinierender Landschaften. Routenlänge: 208 Kilometer.
- North Coast 500: ein Muss für Schottland-Reisende. Sie gilt als eine der schönsten Küstenstraßen der Welt. Start- und Endpunkt liegt in Inverness. Umrundet die North-Highlands und somit eine der wildesten Regionen Schottlands. Routenlänge: 805 Kilometer
- South Coastal 300: Rundtour im Südwesten durchzieht die Regionen Ayrshire und Dumfries & Galloway – häufig an der Solway Coast (Städte Kippford und Kirkcudbright) entlang mit atemberaubenden Ausblicken auf die Irische See. Routenlänge: 482 km
- SnowRoads Scenic Route: verläuft nahezu parallel zur A9, zieht sich im Süden, von Blairgowrie nach Grantowh-on-Spey. Schlängelt sich durch malerische Täler der Highland, vorbei an Schlössern und Burgen. Man sollte mit dem Reisemobil gute drei Stunden für die etwa 140 Kilometer einplanen. Eher mehr, herrliche Aussichtspunkte, wie beispielsweise „The Watchers“ oder „Connecting Contours“ laden zu einem Stopp ein. Routenlänge: 149 Kilometer
- Angus Coastal Route: liegt zwischen Dundee und Aberdeen an der Ostküste Schottlands. Herrliches Sandstrände (Lunan Bay) und Naturreservate (St. Cyrus National Nature Reserve) wechseln mit interessanten Burgen und Ruinen (Arbroath Abbey) . Einen Besuch wert. Routenlänge: 109 Kilometer
Eine perfekte Kartenübersicht und Tipps zu diesen und weiteren Routen findet ihr hier.
Termine für schottische Highland-Games für 2024 gibt es hier.